05 - Der Kardinal im Kreml
Übergabe verblüffte ihn. War sie eine Zauberkünstlerin ?
«Warum seid ihr Russen bloß immer so todernst - könnt ihr euch denn nicht mal gehenlassen?»
«Vielleicht sollten wir uns mehr mit Amerikanern umgeben», gestand Jasow zu. «Sie haben einen Prachtkerl von Sohn, und selbst wenn er in der Olympiamannschaft gegen uns antritt, werde ich ihm vergeben.» Ein strahlendes Lächeln war seine Belohnung.
«Wie nett von Ihnen.»
«Haben Sie etwas gesehen?»
«Nur eine dumme Frau, die sich nicht eingekriegt hat», erwiderte der
Fotograf.
«Wann ist der Film entwickelt?»
«In zwei Stunden.»
«Dann zischen Sie los», sagte der Offizier.
«Haben Sie denn etwas gesehen?» fragte der andere KGB-Mann seinen
Vorgesetzten.
«Nein, ich glaube nicht. Wir haben sie zwei Stunden lang beobachtet,
und sie benimmt sich wie eine typische amerikanische Mutter, die sich in
ihren Enthusiasmus hineinsteigert. Andererseits erregte sie die Aufmerksamkeit des Verteidigungsministers und des Hauptverdächtigen in
einem Fall von Landesverrat. Das reicht, Genosse, finden Sie nicht
auch?»
Zwei Stunden später lagen über zweitausend Fotos vor dem Offizier
ausgebreitet. Die japanische Kamera gab am unteren Bildrand die Uhrzeit an, und der KGB-Fotograf verstand sich auf sein Handwerk so gut
wie jeder Profi von der Presse. Er hatte fast ununterbrochen geknipst und
nur innegehalten, um einen neuen Film in die Kamera mit Autowinder
einzulegen.
Anfangs hatte der Offizier einen Camcorder verlangt, war
aber von dem Fotografen von dieser Idee abgebracht worden. Eine
Standbildkamera war dank höherer Auflösung und Lichtempfindlichkeit
eher in der Lage, rasche kleine Bewegungen zu erfassen.
Der Offizier hatte eine Lupe und widmete jedem Bild ein paar Sekunden. Als Mrs. Foley in der Bildsequenz auftauchte, nahm er sich mehr
Zeit, sah sich geruhsam ihre Kleidung, ihren Schmuck und ihr Gesicht
an. Ihr Lächeln kam ihm ganz besonders schwachsinnig vor, erinnerte
ihn an die Fernsehreklame im Westen, und dann erinnerte er sich, sie
schreien gehört zu haben. Warum mußten Amerikaner eigentlich immer
so laut sein?
Doch seltsam: Durchs Fernglas hatte sie ausgesehen, als hätte sie ein
Spatzenhirn. Hier aber, auf den Fotos, funkelten ihre Augen wach,
schienen sich auf etwas zu konzentrieren. Wie kam das?
Er sah sich weitere Bilder an und sagte sich dabei, daß die Foleys
eigentlich nie genau durchleuchtet worden waren. Ihre Akten waren
relativ dünn. Beim Zweiten Direktorat galten sie als unbedeutende Figuren. Irgend etwas sagte ihm, daß das ein Fehler war, aber die Stimme war
noch nicht laut genug. Nun kam er zur letzten Bilderserie, schaute auf
die Uhr. Drei Uhr früh, verflucht noch mal. Er goß sich eine neue Tasse
Tee ein.
Ah, das mußte beim zweiten Tor aufgenommen worden sein. Sie sprang wie
eine Gazelle. Hübsche Beine, stellte er fest. Nur noch ein paar
Schnappschüsse bis zum Ende des Spiels. Ja, da küßte sie Jasow ab,
hängte sich dann an Filitow...
Er erstarrte. Die Kamera hatte etwas festgehalten, was ihm durchs
Fernglas entgangen war. Beim Umarmen von Filitow war der Blick der
Frau auf einen der Leibwächter geheftet, den einzigen, der nicht dem
Spiel zuschaute. Ihre linke Hand lag nicht auf Filitows Rücken, sondern
befand sich, den Blicken des Beobachters entzogen, unten bei seiner
Rechten. Er ging ein paar Bilder zurück. Kurz vor der Umarmung hatte
sie die Hand in der Manteltasche gehabt. Als sie den Verteidigungsminister umarmt hatte, war sie zur Faust geballt. Nach Filitow war sie wieder
offen. Jetzt war er sicher.
«Das ist doch nicht zu fassen -» flüsterte er.
Wie lange sind die Foleys schon hier? Er strapazierte seinen erschöpften
Verstand, fand aber keine Antwort. Seit mindestens zwei Jahren - und
wir haben nichts gemerkt. Er griff nach dem Telefonhörer und wählte
Watutins Privatnummer. Es wurde schon beim ersten Läuten abgenommen.
«Ich habe etwas Interessantes», sagte der Offizier schlicht.
«Schicken Sie einen Wagen.»
Fünfundzwanzig Minuten später traf Watutin unrasiert und reizbar
ein. Der Major legte ihm nur die relevante Bilderserie vor.
«Wir hatten sie niemals im Verdacht», sagte er, als der Oberst sich die
Fotos durch die Lupe betrachtete.
«Vorzügliche Tarnung», merkte Watutin säuerlich an. Er hatte gerade
erst eine Stunde geschlafen, als das Telefon ging, und hatte noch immer
Schwierigkeiten, ohne die üblichen paar Gläser vorm Einschlafen auszukommen. Er sah auf.
«Ist das zu glauben? Direkt vor dem
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