05 - Der Kardinal im Kreml
hieß, ein
enger Berater von Jasow sei verhaftet worden.» Charleston machte eine
Pause und rührte in seinem Kaffee. «Wir haben eine Quelle im Kreml,
die wir streng hüten. Von ihr erfuhren wir, daß Vorsitzender Gerasimow
letzte Woche unter recht ungewöhnlichen Umständen mehrere Stunden
mit Alexandrow verbrachte. Aus dieser Quelle erfuhren wir auch, daß
Alexandrow der Perestrojka ein Ende setzen will.
Ist ja auch kein Wunder», setzte Charleston hinzu. «Gerasimow hat
ein Mitglied des Politbüros, das bislang Narmonow unterstützte, auf
seine Seite gezogen, die Orientierung des Verteidigungsministers zumindest in Frage gestellt und viel Zeit mit dem Mann verbracht, der Narmonow verdrängen will. Es sieht so aus, als hätte Ihre Operation etwas sehr
Unangenehmes ausgelöst.»
«Und das ist noch nicht alles», sagte Moore. «Unser Agent verschaffte
uns Material über die sowjetische SDI-Forschung. Es sieht so aus, als sei
dem Iwan da ein Durchbruch gelungen.»
«Ist ja großartig», kommentierte Charleston. «Zurück in die schlechte
alte Zeit - mit dem einen Unterschied, daß diesmal die
potentiell da ist, oder? Sie wissen natürlich, daß Ihr Programm eine
undichte Stelle hat.»
«Ach, wirklich?» fragte Moore mit Pokermiene.
«Das hat Alexandrow von Gerasimow erfahren. Details liegen leider
keine vor, aber dem KGB ist die Sache sehr wichtig.»
«Man hat uns gewarnt. Wir kümmern uns um die Angelegenheit»,
sagte Moore.
«Nun, die technische Seite wird sich von allein regeln», meinte Charleston. «Aber die politischen Aspekte haben zu Ärger mit der Premierministerin geführt. Es gibt schon genug Zirkus, wenn wir eine Regierung stürzen, die wir loswerden wollen, aber wenn so etwas aus Zufall pas
siert-»
«Wir freuen uns auch nicht über die Konsequenzen, Basil», bemerkte
Greer. «Aber von hier aus können wir sehr wenig tun.»
«Sie können den sowjetischen Abrüstungsvorschlag annehmen»,
schlug Charleston vor. «Damit wäre Narmonow so weit gestärkt, daß er
Alexandrow abwehren kann. Und dies wäre der inoffizielle Standpunkt
der Regierung Ihrer Majestät.»
Und das ist der wahre Grund Ihres Besuchs, Sir Basil, dachte Ryan.
Zeit, daß er das Wort ergriff. «Das bedeutete unzumutbare Einschränkungen unserer SDI-Forschung und eine Reduzierung unseres Kernsprengkopfinventars trotz der Tatsache, daß die Russen ihr eigenes Programm weiter vorantreiben. Kein guter Handel.»
«Fänden Sie eine Regierung Gerasimow denn besser?»
«Und was, wenn wir die so oder so bekommen?» fragte Ryan. «Ich
habe meine Analyse bereits abgeschlossen und mich in ihr gegen zusätzliche Konzessionen ausgesprochen.»
«Ein Schriftstück läßt sich immer ändern», meinte Charleston. «Sir Basil, etwas, das meinen Namen auf dem Titelblatt trägt, gibt
meine Gedanken wieder und nicht, was mir jemand zu denken aufgetragen hat», sagte Ryan.
«Gentlemen, bitte, vergessen Sie nicht, daß ich ein Freund bin. Die
möglichen Umbrüche an der sowjetischen Spitze wären für den Westen
ein größerer Rückschlag als eine vorübergehende Einschränkung eines
Ihrer Verteidigungsprogramme.»
«Da macht der Präsident nicht mit», meinte Greer.
«Vielleicht muß er aber», versetzte Moore.
«Es muß einen anderen Weg geben», meinte Ryan.
«Nur über Gerasimows Sturz.» Nun sprach Ritter. «Direkte Unterstützung können wir Narmonow nicht anbieten. Wenn wir ihn zu warnen versuchten und der Rest des Politbüros davon Wind bekäme, könnte
das einen kleinen Krieg auslösen.»
«Und wenn wir es aber doch fertigbrächten?» fragte Ryan.
«Was fertigbrächten?» fragte Ritter scharf.
Ann tauchte früher als erwartet wieder in der Boutique «Eve's Leaves» auf, stellte die Inhaberin fest. Wie üblich lächelnd, suchte sie sich ein Kleid aus und nahm es mit in die Umkleidekabine.
Eine Minute später stand sie draußen vorm Spiegel und ließ die üblichen Komplimente gleichgültiger als sonst über sich ergehen. Sie zahlte bar und verabschiedete sich mit einem freundlichen Lächeln.
Draußen auf dem Parkplatz sah es anders aus. Hauptmann Bisjarina verstieß gegen die Regeln und öffnete die Kapsel, um den Inhalt zu lesen. Dann stieß sie einen kurzen, aber häßlichen Fluch aus. Die Nachricht bestand aus nur einer Seite. Bisjarina steckte sich eine Zigarette an und verbrannte das Papier im Aschenbecher.
Alle Arbeit umsonst! Und das Material war schon in Moskau, wurde bereits analysiert. Nun stand sie dumm da. Schlimmer noch, daß
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