05 - Der Schatz im Silbersee
schob sich weiter und immer weiter im Schilf vor. Seine Augen glühten, und es schien, als ob sie aus ihren Höhlen treten wollten. In dieser Erregung vergaß er die nötige Vorsicht; er achtete nicht darauf, daß sein Kopf fast ganz aus dem Schilf ragte.
„Nicht sehen lassen!“ raunte ihm der Häuptling zu, indem er ihn faßte und zurückzog.
Aber es war schon zu spät, denn der Cornel hatte den Kopf gesehen. Darum unterbrach er seine Rede und war rasch aufgestanden, um den Lauscher unschädlich zu machen. Er verfuhr dabei mit großer Schlauheit, indem er sagte: „Es fiel mir eben ein, daß ich dort bei den Pferden noch – – – doch, kommt ihr beide einmal mit!“
Er winkte den zwei Männern, welche an seiner Rechten und Linken gesessen hatten. Sie standen sogleich auf, und er flüsterte ihnen zu: „Ich verstelle mich nur, denn da hinter uns liegt ein Kerl, jedenfalls ein Rafter, im Schilf. Sieht er, daß ich es auf ihn abgesehen habe, so läuft er davon. Sobald ich mich auf ihn werfe, packt ihr ihn auch sofort. Auf diese Weise bekommen wir ihn gleich so fest, daß er sich gar nicht wehren und mich verwunden kann. Also – vorwärts!“
Bei dem Wort vorwärts, welches er nun laut ausrief, drehte er sich blitzschnell um und tat einen Sprung nach der Stelle, an welcher er den Kopf gesehen hatte.
Der Tonkawahäuptling war ein äußerst vorsichtiger, erfahrener und scharfsinniger Mann. Er sah den Cornel aufstehen und mit den beiden flüstern; er sah, daß der eine derselben eine unwillkürliche Bewegung nach rückwärts machte. So gering und fast unbemerkbar diese Bewegung war, dem ‚Großen Bär‘ verriet sie doch, um was es sich handle. Er berührte den Alten mit der Hand und flüsterte ihm zu: „Schnell fort! Cornel dich gesehen und dich fangen. Schnell, schnell!“
Zu gleicher Zeit wendete er sich um und schnellte sich, ohne sich vom Boden zu erheben, fort und hinter den nächsten Busch. Das war das Werk von höchstens zwei Sekunden; aber schon ertönte hinter ihm das „Vorwärts“ des Cornels, und als er zurückblickte, sah er diesen sich auf den Missourier stürzen, welchem Beispiel die beiden andern Tramps augenblicklich folgten.
Der alte Blenter wurde trotz seiner gerühmten Geistesgegenwart vollständig überrumpelt. Die drei lagen oder knieten auf ihm und hielten ihm die Arme und Beine fest, und die Tramps sprangen vom Feuer auf und kamen schnell herbei. Der Indianer hatte sein Messer gezogen, um dem Alten beizustehen; er mußte aber einsehen, daß er gegen diese Übermacht nichts auszurichten vermöge. Er konnte nichts weiter tun, als sehen, was mit dem Missourier geschehen werde, und dann die Rafters benachrichtigen. Um aber nicht auch selbst entdeckt zu werden, kroch er von dem in das Schilf geschnittenen Weg fort, weit weg zur Seite, wo er sich hinter einem Busch verbarg.
Die Tramps wollten, als sie den Gefangenen erblickten, laut werden, doch der Cornel gebot ihnen Schweigen: „Still! Wir wissen nicht, ob noch andre da sind. Haltet ihn fest. Ich werde nachsehen.“
Er ging die Umgebung des Feuers ab und bemerkte zu seiner Beruhigung keinen Menschen. Dann gebot er, den Mann an das Feuer zu bringen. Dieser hatte alle seine Kräfte angestrengt, sich loszumachen, doch vergebens. Er sah ein, daß er sich in sein Schicksal fügen müsse. Allzu schlimm konnte dasselbe nicht sein, da er den Tramps ja bis jetzt nichts zuleide getan hatte. Übrigens mußte ihn der Gedanke an den Indianer beruhigen. Dieser ging gewiß schnell fort, um Hilfe herbeizuholen.
Während vier Mann den Gefangenen am Boden festhielten, beugte sich der Cornel nieder, um ihm in das Gesicht zu sehen. Es war ein langer, langer, scharf und nachdenklich forschender Blick, mit dem er dies tat. Dann sagte er: „Kerl, dich müßte ich kennen! Wo habe ich dich eigentlich schon gesehen?“
Der Alte hütete sich wohl, es ihm zu sagen, da er in diesem Fall verloren gewesen wäre. Der Haß kochte in seiner Brust, aber er gab sich Mühe, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu zeigen.
„Ja, ich muß dich gesehen haben“, wiederholte der Cornel. „Wer bist du? Gehörst du zu den Rafters, welche da oberhalb arbeiten?“
„Ja“, antwortete der Gefragte.
„Was hast du dich hier herumzuschleichen? Warum belauschst du uns?“
„Sonderbare Frage. Ist es hier im Westen etwa verboten, sich die Leute anzusehen? Ich meine vielmehr, daß es ein Gebot der Notwendigkeit ist, dies zu tun. Es gibt da Leute genug, vor denen man
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