05 - komplett
dreizehn Jahre nach ihrem Tod ebenso sehr wie zu ihren Lebzeiten. Beatrice wünschte sich, selbst einmal eine solch glückliche Ehe zu führen, doch sie fürchtete den Kummer, den eine solch große Liebe auslösen konnte. „Nein, Emma. Ich weiß, es kann auch in einer Ehe Liebe geben. Meine Eltern waren einander innig zugetan. Es ist nur ... Nun, vielleicht ist es nicht klug, sich selbst derart verwundbar zu machen.“
Tröstend legte Lady Pelham einen Arm um sie. „Ich denke, Sie und mein Sohn haben mehr gemeinsam, als Ihnen bewusst ist, Beatrice.“
Verwundert blickte Beatrice sie an, doch Lady Pelham sprach schon weiter: „Charles ist gewiss nicht makellos. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass er Sie ehelichen möchte, auch wenn es ihm möglicherweise noch nicht bewusst ist. Warum sonst hätte er sich und Sie wohl in diese missliche Situation gebracht? Glauben Sie mir, er wusste, welche Konsequenzen ihm drohen, wenn er einer unschuldigen jungen Dame aus gutem Hause in aller Öffentlichkeit zu nahe tritt. Solche Situationen hat er in der Vergangenheit geschickt vermieden. Dass er Sie nun in dieser Weise kompromittiert, lässt mich vermuten, er wollte ertappt werden.“
Beatrice konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Er will mich nicht heiraten, Emma.
Bitte versuchen Sie nicht, sich das einzureden. Indes gibt es wohl keinen anderen Ausweg.“
Lady Pelham wollte gewiss nicht mit ihr streiten, war sie doch froh, dass Beatrice die Unausweichlichkeit dieser Heirat akzeptiert hatte. Insgeheim aber dachte sie: Es gibt keinen anderen Ausweg und das ist genau das, was Charles bezweckte. „Sie haben recht, Beatrice, Sie haben beide keine andere Wahl. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Gewiss werden Sie glücklich werden. Charles mag es jetzt vielleicht noch nicht zugeben wollen, aber es ist für alle – außer für Sie – ganz offensichtlich, dass er Sie bereits liebt.“
„Das ist keineswegs offensichtlich, Emma, aber Sie müssen nicht länger versuchen, mich aufzuheitern oder zu überzeugen. Ich werde den Ehebund mit ihm schließen.“
„Bitte vertrauen Sie mir, Beatrice, ich habe Charles in letzter Zeit genau beobachtet und weiß, wie er für Sie fühlt.“
Beatrice schwieg. Sie vertraute Lady Pelham, aber sie traute Charles nicht. Er war charmant, sah gut aus, besaß alle jene Eigenschaften, die sie sich von ihrem Traumprinzen erhofft hatte. Noch dazu war er intelligent, brachte sie zum Lachen, und seine Familie schien ihm sehr am Herzen zu liegen. Sie konnte sich ihn sogar gut als Vater vorstellen. Aber Charles war auch ein unverbesserlicher Herzensbrecher, und sie wusste, dass sie mit ihm nicht glücklich werden konnte. Untreue würde sie nicht ertragen können.
Lady Pelham tätschelte ihr die Hand. „Wollen wir wieder nach unten gehen? Ich hoffe, Charles zeigt sich etwas umgänglicher.“
Als sie nach unten kamen, war Charles indes bereits nach London aufgebrochen. In knappen Zeilen teilte er Beatrice mit, dass er sich um die Heiratslizenz kümmern wolle. Die Hochzeit sollte bereits in zwei Wochen stattfinden.
Wäre er geblieben, um sie zu beschimpfen, hätte Beatrice sich besser gefühlt. So aber wurden ihre Augen feucht, und sie lief in ihr Zimmer zurück, um das zweite Mal an diesem Abend den Tränen freien Lauf zu lassen.
19. KAPITEL
Seit über einer Woche weilte Beatrice wieder in London, doch Charles machte ihr erst zwei Tage vor der Trauung seine Aufwartung. Sie befand sich im Salon des Stadthauses ihres Vaters und kümmerte sich um eine lange vernachlässigte Stickerei, als der Butler ihn meldete. Einen Augenblick vergaß Beatrice alles, was zwischen ihnen vorgefallen war, und schwelgte in seinem Anblick. Sein Haar war vom Wind ein wenig zerzaust, und sie bemerkte, dass unter seinen Augen leichte Schatten lagen. Er sah aus, als sei er eben erst aufgestanden. Sie schluckte schwer, ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt.
„Guten Tag“, grüßte er und trat auf sie zu. Der Butler ließ sie allein und schloss die Tür hinter sich.
Charles fühlte sich beklommen, eine Empfindung, die er in Gegenwart einer Frau noch nie zuvor verspürt hatte. Indes versuchte er, sich dies nicht anmerken zu lassen.
Diese Beklommenheit war auch der Grund dafür, dass er Beatrice nicht eher aufgesucht hatte. Er hatte sich ihr gegenüber schlicht abscheulich benommen, allein durch seine Schuld befanden sie sich nun in dieser misslichen Lage. Es wäre ihm wohl leichter gefallen, zu ihr zu gehen,
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