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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Gute.
    Rainbird betrachtete Emilys Gesicht
und fragte sich, ob sie berücksichtigt hatte, dass die Zeiten der
Mayfair-Kapelle, wo man für eine Guinee heiraten konnte, ohne dass lästige
Fragen gestellt wurden, lange vorbei waren. Sie würde Papiere vorzeigen
müssen, die bewiesen, dass sie diejenige war, die sie behauptete zu sein.
Während die Stimmung immer ausgelassener wurde, schlich er sich aus dem Zimmer
und ging leise die Treppe hinauf.
    Er ging geradewegs zum Schreibsekretär
in Emilys Zimmer. Dieser war versperrt. Rainbird holte seinen Schlüsselbund aus
der Tasche und ging die Schlüssel durch, bis er den winzigen Ersatzschlüssel zu
dem Sekretär fand. Leise öffnete er ihn und setzte sich, nachdem er einen
Kerzenleuchter herbeigeholt hatte, hin und begann, einen kleinen Papierstoß
durchzulesen. Und dabei fand er schließlich Emilys Geburtsurkunde, die von der
Gemeinde Burton Hampton in Cumberland ausgestellt war. Geboren: Emily Jenkins;
Mutter: Rachel Pretty, Hausmädchen; Vater: Ebeneezer Jenkins, Schmied. Es
waren auch Papiere da, die bewiesen, dass sie ihren Namen rechtmäßig geändert
hatte, und eine Kopie von Sir Harry Jacksons Testament, in dem er alles seinem
Butler Spinks hinterließ. Ihr einziges Verbrechen bestand also darin, so zu
tun, als seien sie ein Gentleman und eine Lady. Alles Geld, das sie hatten,
gehörte Spinks, der jetzt ganz offiziell Benjamin Goodenough hieß, zu Recht.
Rainbird legte die Papiere wieder zurück. Er wollte den Sekretär gerade
verschließen, als er es sich anders überlegte und die Geburtsurkunde von Emily
an sich nahm.
    Er steckte sie in seine Tasche und
war so rechtzeitig wieder unten, dass er noch ein Glas Champagner mit den
anderen trinken konnte.
    Später an diesem Abend, als Mrs.
Middleton ins Bett gehen wollte, fiel ihr Angus MacGregor ein. Das Fieber
schien gesunken. Der Arzt hatte gesagt, es sei vermutlich durch eine Lungenentzündung
ausgelöst worden.
    Mrs. Middleton zögerte unsicher,
doch dann faßte sie sich ein Herz, nahm ein Buch in die eine Hand und eine
Kerze in die andere und ging in das Dachzimmer hinauf, in dem Angus schlief.
Rainbird und Joseph waren noch unten im Aufenthaltsraum der Diener, und so war
der Koch allein. Joseph und Rainbird hatten ihm nach oben in sein Bett
geholfen.
    Mrs. Middleton stellte die Kerze
neben das Bett und sagte gütig: »Sind Sie wach, Mr. MacGregor?«
    »Ja«, sagte der Koch. »Das war ein
großartiger Brief von Agnesby. Er hat mich ganz munter gemacht. Was führt Sie hier
herauf, Mrs. Middleton?«
    »Ich habe mir gedacht, es wäre die
richtige Vorbereitung auf die Nacht, wenn ich Ihnen etwas vorlese.«
    »Das wäre schön.«
    Und so begann Mrs. Middleton:

    »Am Abend hatte der Hirsch seinen
Durst gestillt,
    Wo der mondbeglänzte Monan aus dem
Felsen quillt,
    Und sein einsames Mitternachtslager
gemacht
    Im tiefen Schatten von Glenartneys
Nacht.«
    Die Worte aus Walter Scotts Die
Dame vom See klangen dem Koch angenehm heimatlich in den Ohren. Seine Hand
kam unter der Bettdecke hervor und ergriff die zur Faust geballte Hand der
Haushälterin. Sie fuhr zusammen und errötete, ließ ihn aber ihre Hand halten
und fuhr fort zu lesen, bis Rainbird und Joseph hereingeschlichen kamen. Joseph
blickte auf das ungleiche Paar, das sich an den Händen hielt, und öffnete
schon den Mund, um etwas zu sagen, aber Rainbird stieß ihn kräftig in die
Rippen und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er still sein solle.

Neuntes Kapitel

    Hin und her gerissen zwischen Furcht
und Freude fand Emily keinen Schlaf. Ihr Ehrgeiz hatte alle verliebten Gefühle,
die sie für den Earl of Fleetwood gehegt haben mochte, aus ihrem hübschen
Köpfchen verdrängt.
    Es würde schon alles irgendwie
gutgehen, wenn sie erst einmal verheiratet waren. In den ersten paar Wochen
würde sie die Diener zu ihrer Unterstützung haben. Wie ein ängstliches Mädchen
dem Haushalt ihres neuen Gatten ihre Mutter aufnötigt, so hatte Emily vor, dem
Earl das gemietete Haus und die gemieteten Diener aufzunötigen. Auf die
Gedanken und Träume des Earl nahm sie keine Rücksicht. Dass ein Earl, von hoher
Geburt, auch Ängste und Sorgen haben könnte, kam Emily gar nicht in den Sinn.
Sie nahm, arglos wie sie war, an, dass ein Titel einen Menschen vor den
Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bewahrte, von denen normale Sterbliche wie
sie geplagt wurden.
    Sie stand auf und kleidete sich
sorgfältig an. Sie wählte ein kunstvoll geschneidertes Tageskleid aus

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