05 - Spiel der Intrigen
Stimme, die etwas ganz anderes auszudrücken
schien.
»Es gibt sogar ein Gedicht darüber«,
sagte Emily mit unsicherem Lachen und riss ihre Augen von seinen los. »Wie
ging es gleich wieder? Ach ja, ich weiß es.
Wehe! Wehe! Die Welt ist ganz
verkehrt!
Die Sonne geht am Abend auf
Und spendet niemals Licht.
Das arme Albion ist zerstört,
Und der Abendstern leuchtet
nicht,
Der Wahre Brite erzählt
nichts als Lügen.
Sollten sie die Britische Presse unterkriegen,
So wäre das kein Grund zu leiden;
Es gibt keine Hoffnung auf Bess'rung
der Zeiten,
Und es spielte auch keine Rolle
mehr,
>Wenn der Globus am Ende wär.«
»Ein hübsches Spottgedicht«, sagte
der Earl, »aber nicht annähernd lang genug. Es gibt im Vereinigten Königreich
mindestens 250 Zeitungen. Können Sie sich ein Gedicht über alle vorstellen?«
Fitz beobachtete eifersüchtig die
Mienen der beiden, während sie sich unterhielten. Er verstand, was sie sagten
— sie sprachen über die Zeitungen —, aber ihre Augen schienen eine vollkommen
andere Unterhaltung zu führen. Es war typisch für Fleetwood, dass er Emily
zuerst mit einem Achselzucken abtat und dann alle anderen ausstach. Fitz hatte
sich schon ernsthaft darüber Gedanken gemacht, ob er wohl eine Chance hätte,
Emilys Zuneigung zu gewinnen. Sie war so überaus schön, dass er sich nicht
allzu viele Hoffnungen machte. Aber der Anblick seines Freundes, der sie so
aufdringlich und ungehörig umwarb — und das tat Fleetwood, auch wenn er gerade
über Literaturzeitschriften sprach —, hatte in Fitzens Brust einen erbitterten
Konkurrenzgeist entfacht. Er wäre höchst erstaunt und entmutigt gewesen, wenn
er gewusst hätte, dass Emily zwei Stunden gebraucht hatte, um ihn überhaupt zu
erkennen, da sie nicht hingehört hatte, als er angekündigt wurde. Sie hatte
zunächst angenommen, dass der neue, saubere und farblose Gentleman ein anderer
Freund sei, den der Earl an seiner Stelle mitgebracht hatte.
Harriet Giles-Denton und Bessie
Plumtree tauschten über den Tisch hinweg saure Blicke aus. Sie wünschten, sie
wären nicht gekommen. Es war bedrückend, von diesem Eindringling so
ausgestochen zu werden. Denn sie waren überzeugt davon, dass Emily ein
Eindringling war. Kein Mitglied der feinen Gesellschaft hatte je zuvor von den
Goodenoughs gehört. Es hatte ein Gerücht gegeben, dass sie eine Prinzessin sei,
aber das hatte sich schnell als unwahr erwiesen. Die Eifersucht schärfte ihre
Beobachtungsgabe auf wunderbare Weise. Sie merkten, dass Emilys Sprache, obwohl
sie klar verständlich und fast ohne mundartliche Färbung war, keine
französischen Redensarten enthielt und dass sie auch die lispelnde Babysprache,
die zur Zeit unter den Debütantinnen modern war, nicht beherrschte. Außerdem
hatte sie sehr seltsame Ansichten, ja geradezu radikale. Sie hatten beide Miss
Emily Goodenough im Verdacht, eine Jakobinerin zu sein.
Der Earl musste feststellen, dass
Emily ihn immer stärker in ihren Bann zog. Er wusste nicht, wer sie wirklich
war, doch er sagte sich, dass es keine Rolle spiele. Er gehörte zu den Menschen,
die vor sich selbst keine Ausflüchte machen, wenn sie ihr Herz an etwas gehängt
haben. Und er war in Emily
Als das Dinner beendet war und Emily
mit einer leichten, graziösen Bewegung aufstand, um die Damen nach unten in den
vorderen Salon zu führen, wusste er, dass das, was er mehr als alles in der
Welt begehrte, Miss Emily Goodenough war.
Kaum waren die Damen im Salon, als
Miss Plumtree und Miss Giles-Denton Emily baten, ihnen etwas auf dem Spinett im
hinteren Salon vorzuspielen. Emily, die nie Musikunterricht gehabt hatte, warf
einen hilfesuchenden Blick auf Mrs. Middleton.
»Ich spiele Ihnen etwas vor, meine
Damen«, sagte Mrs. Middleton beherzt. Sie hatte jahrelang nicht mehr gespielt
und musste, als sie sich hinsetzte und die Noten anschaute, zu ihrem Kummer
feststellen, dass sie sich an die rechte Hand gut erinnerte — aber was machte
man mit der linken?
Sie klimperte mehr schlecht als
recht auf dem Spinett herum, während sich Emily neben Lady Jammers niederließ
und sich in eine lange Beschreibung eines Theaterstücks, das sie gesehen hatte,
stürzte.
Bessie Plumtree und Harriet
Giles-Denton kamen schnell zu der für sie glücklichen Feststellung, dass Emily
ziemlich reizlos sei. Wenn man auf eine Frau eifersüchtig ist, dann empfindet
man sie nicht nur als Konkurrenz, sondern fühlt sich gern überlegen, das macht
die Sache etwas leichter. Emilys strahlende
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