0502 - Das Schwert des Vampirs
denn los?«
»Das erzähle ich dir später«, sagte Nicole. »Erst möchte ich Rhett ausgewickelt sehen.«
»Da stimmt doch was nicht! Du verschweigst mir etwas!« protestierte Patricia.
»Dafür habe ich gute Gründe. Tu es bitte, oder ich mache es selbst«, drängte Nicole und fragte sich, was sie Patricia erzählen wollte, wenn der Junge irgendwo am Körper die Bißmale der Kobra tragen sollte!
Gleichzeitig sah sie sich immer wieder mißtrauisch um. Wo eine Kobra war, konnten auch andere lauern!
***
Der Gnom unterzog das rostige Schwert der magischen Analayse. Es bedurfte eines erheblichen Aufwandes. Mit Kreide zeichnete er Drudenfuß, Bannkreise und Zauberzeichen auf den Boden, fügte Zaubersprüche hinzu und durfte mehr als ein Dutzend Male neu anfangen, weil er plötzlich merkte, daß er Fehler begangen hatte. Daran trug der Whisky die Schuld, den er mit seinem Herrn hatte trinken müssen. Aber beim dreizehnten Versuch stimmte alles.
Darüber war Zeit vergangen. Der Gnom trauerte ihr nicht nach. Er mußte ja nicht um eine bestimmte Uhrzeit vorm Fernseher hocken, um nur nicht die neueste Folge irgendeiner Soap-Opera zu verpassen. Aber die verstreichende Zeit klärte seinen Geist wieder. Jetzt kontrollierte er zum letzten Mal, ob er nicht mit seiner Anordnung von Zeichnungen, Formeln und Sigillen irrtümlich einen Dämon rufen würde, und dann begann er mit seinem Zauber.
Als er den letzten Spruch korrekt aufgesagt hatte, begann das Warten. Er betrachtete das Schwert im Zauberkreis. Von einem Moment zum anderen veränderte es sich. Der Rost verschwand. Blank poliertes und geschliffenes Metall war zu sehen. Und noch mehr. Eine Hand, die das Schwert führte. Eine Gestalt, die zu der Hand gehörte. Ein Krieger - nein, eine Kriegerin? Und da war plötzlich eine überragende, gewaltige Gestalt vor blutrot brennendem Himmel. Lange Fangzähne blitzten auf, als der Gigant den Mund öffnete und brüllte: »Gib mir zurück, was mein ist!«
»Da, nimm, was dein ist!« schrie die Kriegerin und stieß mit dem Schwert zu…
Das Bild zerriß, und seine Puzzle-Teile flogen in alle Richtungen auseinander. Sie durchdrangen den Gnom. Alles erlosch. Nur noch die Kerzen brannten, und ein Sturm raste durch den Raum und verwischte Teile der Kreidezeichen.
Es war vorüber.
Das Schwert lag wieder im Zauberkreis.
Es steckte nicht mehr im Leib eines riesigen Vampir-Ungeheuers, und es lag auch nicht mehr federnd in der Hand einer Kriegerin. Rost überdeckte es wie zuvor.
Aber jetzt wußte der Gnom mehr über diese Waffe.
Sie hatte einem Vampir gehört! War dieser mit seiner eigenen Waffe getötet worden? Der Gnom wußte es nicht. Er wußte zu wenig über Vampire. Deshalb nahm er das Schwert aus dem Zauberkreis, um damit zu seinem Herrn zurückzukehren und ihm vom Ergebnis seiner Nachforschungen zu berichten. Vielleicht konnte der Gebieter ja etwas mit diesen für den Aufwand immerhin doch recht spärlichen Informationen anfangen.
Schließlich hätte er sich ja schon immer mit der Philosophie und den Wissenschaften befaßt und war ein Born des Wissens.
Wenn er nicht gerade wieder einmal den Geheimnissen neuzeitlicher alkoholischer Getränke auf den Grund gegangen war. Manchmal wünschte der Gnom sich, sein Herr und Gebieter würde sich zur Lehre des Propheten Mohammed bekennen; schließlich hatte der den Gläubigen den Genuß des berauschenden Alkohols verboten. Und zu gern hätte der Gnom, zu dessen Eigenschaften auch ein gesundes Maß an Schadenfreude zählte, beobachtet, wie sein wohlgerundeter Herr täglich fünfmal seinen stattlichen Bauch dem Erdboden nahebrachte, um sich im Gebet in Richtung der Heiligen Moschee von Mekka zu verneigen und mit der Stirn den Boden zu berühren.
Noch lieber hätte er ihm dann aber beim Aufstehen zugeschaut.
Nur, je länger der Gebieter in der Zukunft zu verweilen hatte, desto häufiger sprach er dem sinnverwirrenden Cognac- respektive Whiskyrausch zu. Und das konnte auf Dauer nicht gutgehen.
Der Gnom wünschte sich von ganzem Herzen, daß er bald den Rückkehrzauber fand. Alle Experimente konnten ja schließich nicht danebengehen. Das gerade Vollbrachte war der Beweis. Es gehörte zu denen, die ganz ordentlich abgelaufen waren.
Aber das vermerkte leider selten jemand mit entsprechender Dankbarkeit…
***
Bange Augenblicke vergingen, während Patricia den Jungen auszog, der sich das seltsamerweise gefallen ließ, ohne mehr als ein paar kurze Protestlaute von sich zu geben. Offenbar
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