0502 - Das Schwert des Vampirs
»Das trifft sich ja prächtig. Wir haben, was Ihnen fehlt.«
In Zamorra erwachte ein böser Verdacht. »Wovon reden Sie?« fragte er gedehnt. »Und wer sind Sie überhaupt?«
»Ich rede von Ihrer Freundin, Zamorra. Wir haben sie einkassiert. Um es ganz klar auszudrücken: Sie ist in unserer Gewalt.«
Es war nicht die Stimme Torre Gerrets, oder in den letzten zwölf Jahren mußte mit seinem Kehlkopf etwas passiert sein. Gerrets Stimme hätte Zamorra jederzeit wiedererkannt - zumindest jetzt, nachdem seine und Nicoles Erinnerungen an damals wieder offenlagen. Nach Gerrets Niederlage an der Quelle des Lebens hatte vielleicht die Quelle, vielleicht auch Lord Saris dafür gesorgt, daß weder Zamorra noch Nicole sich an das Geschehen dort erinnern konnten. Erst mit dem Tod des Bryont-Saris-Körpers war die Erinnerung zurückgekehrt. Gleichzeitig aber hatte der Zauberbann sich aufgelöst, den Lord Saris über Torre Gerett gesprochen hatte. Der hatte an der Quelle des Lebens Rache geschworen, aber die Llewellyn-Magie hatte dafür gesorgt, daß Gerret während der Lebensspanne des Bryont Saris-Körpers nichts gegen Zamorra unternehmen konnte. Mit dem Generationswechsel, mit der Erbfolge, war diese Magie erloschen, weil der neugeborene Rhett natürlich keinen Zauber bewirken, geschweige denn aufrechterhalten konnte. Von jetzt an mußte Zamorra selbst mit seinem Feind und mit seinen Erinnerungen fertigwerden…
Er hielt es zwar für gar nicht gut, daß sowohl seine als auch Nicoles Erinnerungen blockiert gewesen waren; es war ein erheblicher Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. Aber andererseits waren sie beide über ein Dutzend Jahre hinweg unbelastet gewesen. Als die Erinnerung an die Visionen und die Prophezeihungen der Quelle wieder aufgebrochen waren, hatte es Zamorra entsetzt, wieviel davon bereits eingetroffen war - und er hätte es mit Sicherheit nicht verhindern können. Und es lag immer noch nicht alles offen; Zamorra fühlte, daß noch Bilder in ihm waren, die erst in Tagen oder Wochen aufbrechen würden. Zum Beispiel konnte er sich noch nicht daran erinnern, welcher Art die Prüfung gewesen war, der er und sein Rivale Torre Gerret sich hatten unterziehen müssen. Beide verfügten sie sowieso über die Veranlagung für ein langes Leben. Bei dieser Prüfung war Gerett durchgefallen, und die relative Unsterblichkeit war Zamorra zuerkannt worden. Eigentlich hätte er Gerret daraufhin töten sollen, aber er hatte darauf verzichtet. Gerret seinerseits war es nicht gelungen, Zamorra zu töten. Zusätzlich hatte Zamorra der Quelle noch abgetrotzt, daß auch Nicole an seiner Langlebigkeit teilhaben konnte. Aber die Quelle hatte von ihm einen hohen Preis verlangt.
Mußte er ihn jetzt zahlen, nachdem er die Forderung damals blind akzeptiert hatte?
Es war noch vieles offen. Vielleicht zuviel. Aber war die Chance, nicht mehr zu altern und nur durch fremde Gewalt sterben zu können, es nicht wert gewesen? Die Chance, länger als jeder andere Mensch im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte gegen die Mächte der Dunkelheit antreten zu können?
Einen persönlichen Vorteil hatte er durch die relative Unsterblichkeit nicht. Die Lebenszeit, die er gewann, konnte er kaum für sich nutzen. Er war ständig in Gefahr, wurde ständig bedroht. Vor ihm lag eine gigantische Aufgabe, vor der viele andere Menschen zurückschrecken würden. Ein Kampf, der kaum zu gewinnen war, ständige Todesgefahr, ständiger Einsatz für andere. Kaum Zeit für sich selbst. Es war schon immer so gewesen, seit Zamorra seine Berufung erkannt und akzeptiert hatte, aber durch das Wissen, daß der natürliche Alterstod ihn nicht mehr schrecken konnte, konnte er weiträumiger planen und handeln. Das war der Sinn. Er konnte jetzt über Jahrhunderte hinweg Fäden ziehen, die mit der Zeit zu Schlingen um den Hals LUZIFERS und seiner Erzdämonen wurden. Er konnte weiter planen und handeln als über eine Spanne von vielleicht dreißig, maximal vierzig Jahren körperlicher Fitness.
Lord Saris hatte das eher erkannt. Sir Bryont hat ihn förmlich gedrängt, zur Quelle des Lebens zu gehen. Schließlich hatte Zamorra sich der Prüfung gestellt und sie bestanden. Torre Gerret, trotz gleicher biologischgenetischer Voraussetzungen hatte verloren, weil er nur auf Macht aus war. [8]
»… sie ist in unserer Gewalt.«
»Und jetzt«? sagte Zamorra spöttisch, »werden Sie mir natürlich Ihre Forderung stellen. Nur wenn ich diese Forderung erfülle,
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