0507 - Zwischenspiel auf Tahun
Davis nickte den anderen zu, die sich inzwischen ebenfalls in der Kommandozentrale versammelt hatten. „Coal, wir haben einfach keine entsprechenden Anordnungen empfangen, hörst du? Wenn wir nicht auf Tahun landen können, wohin sollen wir dann noch?"
„Terra?" meinte Müller verschüchtert. „Warum fliegen wir nicht nach Terra ?„ „Weil wir jetzt wissen, daß es dort noch schlimmer aussieht.
Auf dem Heimatplaneten herrscht das absolute Chaos. Nein, wir landen auf Tahun. Wir werden ja sehen, was dann geschieht."
Fen Dal kümmerte sich um die Landekoordinaten, die er in den geheimen Bordanweisungen der USO fand. Mit Bedacht wählte er einen kleineren Raumhafen weit von der Hauptstadt entfernt.
Es gab zwar eine Stadt in der Nähe, aber sie war unbedeutend.
Auch ein größeres Lazarett war verzeichnet, die Kosmo-Orthopädische Abteilung der USO.
Wenn die Angaben noch stimmten, hieß ihr Leiter Dr. Truc Rotkel.
Die BARKA ging erneut in den Linearraum und legte den Rest der Strecke in einer einzigen Etappe zurück. Danach ging sie direkt auf Landekurs.
Die Funkempfänger blieben diesmal ausgeschaltet.
2.
Seit Tagen schon hatte sich niemand mehr um Dr. Rotkels prächtigen Rosa aurea galactica gekümmert. Durch herumirrende Patienten zertrampelt, fristeten sie ein trauriges Dasein, und es schien fast so, als wären auch die mühsam herangezüchteten Wunderrosen der Verdummung anheimgefallen.
Es war Rotkels Hobby, Rosen zu züchten - natürlich nur ganz besondere und einmalige Arten. Er kreuzte sie nach ganz bestimmten Richtlinien, die er selbst ausgearbeitet hatte. Jede freie Minute verbrachte er draußen bei seinen Blumen, und das Fatale war, daß es in den letzten Tagen und Wochen keine freien Minuten mehr gegeben hatte.
Alle Stationen der Kosmo-orthopädischen Abteilung waren überfüllt. Ursprünglich für dreitausend Patienten vorgesehen, beherbergte der Riesenkomplex nun deren neuntausend. Die meisten lagen auf Notbetten oder gar auf dem Boden, nur die schweren Fälle waren in den dafür vorgesehenen Räumen untergebracht worden.
Truc Rotkel war vierundfünfzig Jahre alt, hatte eine Glatze mit schütterem Haarkranz, wasserblaue Augen, verfügte über eine massige Figur und war dafür bekannt, keinen Alkohol vertragen zu können. Da er aber trotzdem seinen Kummer mit einem guten Schluck zu ertränken versuchte, passierte es immer wieder, daß sein cholerischer Charakter zum Durchbruch kam. Dann war es besser, möglichst weit von ihm entfernt zu sein, am besten gleich auf einem anderen Planeten.
Aber sein Personal konnte natürlich nicht einfach davonlaufen, wenn er einen Wutanfall bekam. Da es ihn kannte, besser wahrscheinlich als er sich selbst, fand es bald heraus, wie man sich in solchen Fällen zu verhalten hatte. Ruhig sitzen und zuhören, hin und wieder verständnisvoll und ein wenig reuevoll nicken, wenn der Dicke, wie er heimlich genannt wurde, mal wieder eine psychologische Weisheit von sich gab, die sich zwar gut anhörte, aber garantiert falsch war.
Nach dem Züchten von Rosen war die Psychologie Rotkels zweites Hobby. Er verbreitete ausgesprochen volkstümliche Theorien, die leider nicht immer richtig waren, und so war es auch kein Wunder, wenn seine Analysen nicht stimmten. Er predigte sie insbesondere jenen, die sie gar nicht hören wollten.
Es gab eine Menge von Geschichten über den Chefarzt, und nicht alle waren lustig. So wurde zum Beispiel sein sagenhafter Geiz bemängelt, den er mit Vorliebe immer gerade dann demonstrierte, wenn es nicht angebracht war. Es gab Leute, die allen Ernstes behaupteten, er sähe nur deshalb so selten auf seine Uhr, weil er befürchtete, davon könnten die Zeiger schneller abgenutzt werden.
Ein Assistent hatte ihn einmal, seiner Figur wegen, „einen Sack voller Austern mit einem Schnürchen darum", genannt. Das war natürlich eine unverschämte Übertreibung. Der junge, vorlaute Assistent hatte es auch bitter büßen müssen. Er war versetzt worden.
Und schließlich hatte Rotkel noch ein drittes Hobby, und dieses Hobby hieß Gesine.
Gesine erinnerte in ihrem Aussehen an eine terranische Zwergkuh, hatte einen breiten Schädel, in dem zwei große, unendlich traurig blickende Augen saßen. Ihre langen Wimpern hätten zu einem Filmstar gepaßt, und in der Tat schien Gesine auch Lampenfieber zu haben, denn ihre Wimpern zitterten ängstlich, so daß ein ahnungsloser Betrachter den Eindruck haben mußte, die seltsame Kuh blinzele ihm vertraulich
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