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051 - Die gelbe Schlange

051 - Die gelbe Schlange

Titel: 051 - Die gelbe Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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verhüllte Gestalt eines Mannes lag darauf hingestreckt, von einem weißen Tuch völlig verdeckt. Narth starrte wie betäubt - ein großes rotes Herz war auf dem Tuch befestigt. Er versuchte, seine Gedanken zusammenzunehmen, aber er war wie gebannt von der regungslosen Gestalt unter dem roten Herzen... Am Saum der Decke war ein chinesisches Schriftzeichen in roter Farbe.
    »Es ist nur ein Symbol - nur eine Wachsfigur«, flüsterte ihm eine Stimme ins Ohr.
    Spedwell stand also doch hinter ihm. Diese Gewißheit ließ Stephen wieder Mut fassen.
    »Sprich mir nach« - Fing Sus tiefe, feierliche Stimme füllte den ganzen Raum - »Ich will den ›Freudigen Händen‹ treu ergeben sein... «
    Wie im Traum wiederholte Narth die Worte.
    »Ich will das Herz aller ihrer Feinde durchbohren.«
    Auch diese Worte wiederholte er. Seine Gedanken schweiften ab. Wo war Leggat? Er hatte erwartet, Leggat hier zu sehen. In seinem Gesichtskreis konnte er nichts von dem dicken, jovialen Mann entdecken.
    »Durch dieses Zeichen« - Fing Su sprach weiter - »gebe ich den Beweis meiner Treue, meiner Wahrhaftigkeit und meiner Bruderschaft...«
    Jemand schob ihm etwas in die Hand. Es war ein langer gerader Dolch, scharf wie ein Rasiermesser.
    »Halten Sie ihn über die Gestalt«, sagte ihm eine Stimme ins Ohr, und mechanisch gehorchte Stephen. Dabei wiederholte er, ohne den Sinn der Worte zu erfassen, den Eid, den ihm der Mann auf dem Thron vorsprach.
    »So sollen alle Feinde des Kaisers sterben!« endete Fing Su.
    »Stechen Sie ins Herz!« flüsterte Spedwells Stimme. Stephen stieß mit aller Kraft zu.
    Unter dem Messer gab etwas nach, Narth spürte ein Zittern. Und dann färbte das weiße Tuch sich plötzlich rot. Mit einem Schrei packte Stephen die Hülle und schlug sie zurück...
    »O mein Gott!« schrie er.
    Er blickte in das tote Gesicht Ferdinand Leggats.

34
    Er hatte Leggat getötet! Mit seinen eigenen Händen hatte er ihn umgebracht! Er, der nicht einmal ein Kaninchen erschlagen konnte, hatte diesen Mann erdolcht. Der rote Fleck auf dem weißen Laken wurde größer und größer. Stephens Hände färbten sich mit diesem schrecklichen Blut, und er wandte sich mit einem irren Schrei um und wollte mit dem Teufel kämpfen, der ihm den Befehl ins Ohr geflüstert hatte.
    Auf Spedwells Zügen zeigte sich Entsetzen. Er streckte den Arm aus, um sich zu schützen, aber die blutigen Hände griffen nach seiner Kehle und warfen ihn zu Boden. Doch dann erhielt Narth irgendwoher einen furchtbaren Schlag, und er taumelte vornüber, sank auf seine Knie und stürzte auf die Fliesen, kreischend und tobend. Stephen Narth hatte den Verstand verloren.
    Die langen Reihen der gelben Männer saßen bewegungslos und beobachteten den Vorgang. Die falschen Diamanten glitzerten in ihren Vorhemden, und ihre weißen Hände ruhten auf ihren Knien.
    Eine Stunde später kam Major Spedwell in das Zimmer, das für Fing Su bei seinen häufigen Besuchen in der Fabrik reserviert war. Der Chinese blickte von seinem Buch auf und schnippte die Asche seiner Zigarette in eine Silberschale.
    »Nun, was macht unser empfindsamer Freund?« fragte er.
    Spedwell schüttelte den Kopf, er schien um zehn Jahre gealtert zu sein. Noch trug er den Abdruck einer blutigen Hand auf seinem weißen Hemd.
    »Völlig wahnsinnig!« sagte er kurz. »Ich glaube, er hat tatsächlich den Verstand verloren!«
    Fing Su lehnte sich mit einer ungeduldigen Geste in seinen Polstersessel zurück.
    »Das hatte ich nicht erwartet«, erklärte er leicht verärgert; »wer hätte sich auch vorstellen können, daß ein erwachsener Mann sich so aufführen würde? Der Bursche ist eben ein Feigling und ein Außenseiter!«
    Spedwell gab keine Antwort. Vielleicht dachte er darüber nach, ob bald der Tag kommen würde, an dem man ihn selbst aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf den Marmoraltar legen und einen Novizen den Dolch in sein Herz stoßen lassen würde.
    »Die Idee war genial und hätte einen besseren Abschluß verdient!« behauptete Fing Su. »Leggat war ein Verräter, er hatte den Tod verdient. Möglicherweise wird unser Freund Narth später anders darüber denken - wenn er wieder zu sich kommt und erkennt, daß er jetzt nicht mehr zurück kann!«
    Spedwell ließ den anderen nicht aus den Augen.
    »Mir hatten Sie aber gesagt, daß das Opfer der Yünnan-Mann sein sollte - der Bursche, der in Lynnes Hände gefallen war. Ich verabscheute diesen Plan, und trotzdem habe ich zugestimmt! Gott! Als ich Leggats Gesicht

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