0512 - Der lachende Tod
eine Kutsche brauchte einen Weg, und dies war der Weg, der ins Dorf führte…
Nicoles kleiner Wagen stand immerhin für eine Verfolgungsfahrt bereit.
Stunde um Stunde verging. Als die Uhr drei anzeigte, wollte Nicole nun doch eher an einen Irrtum glauben und rang mit sich, ihren Posten aufzugeben, aber da hörte sie plötzlich Hufschlag und das Rasseln von Holzrädern.
Die Kutsche kam!
Gespannt sah Nicole in die Richtung, aus der das Geräusch zu ihr drang. Aus der Dunkelheit schälten sich allmählich die Umrisse des Gefährts hervor. Pferde mit rotglühenden Augen zogen es, und eine düstere Kuttengestalt saß auf dem Bock. Im gleichen Moment, als Nicole den Kutscher sehen konnte, versuchte sie ihre telepathische Fähigkeit zum Tragen zu bringen und des Kutschers Gedanken zu lesen.
Nur dachte der überhaupt nichts!
Oder schirmte er seine Gedanken einfach hervorragend ab?
Auf jeden Fall war das schon der Beweis, daß hier etwas tatsächlich Magisches herankam! Nicole überlegte, wie sie die Kutsche stoppen konnte. Der Blutsauger durfte das Dorf nicht erreichen. Sie mußte das Wesen bereits vorher unschädlich machen.
Während der langen Wartezeit hatte sie sich verschiedene Möglichkeiten ausgemalt, wie sie vorgehen konnte -je nachdem, ob der Vampir - die Lamia - mit einem Gefährt wie diesem nahte oder mittels Fledermausschwingen durch die Luft eilte - oder wie auch immer. Aber jetzt war sie sekundenlang wie blockiert, konnte sich für keine der Möglichkeiten entscheiden.
Da war die schnell fahrende Kutsche bereits heran, schwarz wie die Nacht und mit Goldbeschlägen versehen, die im Sternenlicht funkelten. Eine Gestalt in dunkler Kutte saß oben auf dem Bock, und wenn die Peitsche flog, knisterten Funken -Nicole entschied sich für den Dhyarra-Kristall.
Mit diesem wollte sie Kutsche und Pferde vom Boden abheben und in etwa einem halben Meter Höhe schweben lassen - das würde nicht nur den Kutscher verwirren, sondern auch dafür sorgen, daß die Kutsche vom Luftwiderstand abgebremst wurde und zum Stillstand kam, während die Pferde nach wie vor galoppieren konnten, allerdings jetzt freischwebend. Außerdem verriet Nicole mit dem Einsatz des Kristalls nicht ihren Standort; es sei denn, ihr Gegner besaß ebenfalls einen Dhyarra und spürte damit der entfesselten Energie nach. Aber dazu mußte man schon besonders geschult sein.
Nicole rechnete damit, daß ein paar Sekunden der völligen Verwirrung eintraten. Die konnte sie nutzen, um die Insassen der Kutsche zu überrumpeln.
Aber im gleichen Moment, in dem sie den Dhyarra-Kristall aktivierte, schlug der Kutscher seine Peitsche seitwärts. Von einem Moment zum anderen wurde die Peitschenschnur unheimlich lang, und ehe Nicole reagieren konnte, wickelte sich die Schnur um ihren Körper und riß sie auf die dahinrasende Kutsche zu. Sie schrie auf, als sie die großen Rädern mit ihren wirbelnden Speichen auf sich zufliegen sah - und dann schien es nichts mehr zu geben, was sie noch retten konnte…
***
Saranow ließ sich einfach nach hinten fallen. Seine Verletzungen schmerzten wieder. Da stapfte das unheimliche Gebilde bereits über ihn hinweg: eine verfallene Holzhütte mit rauchendem Kaminschlot, die auf vier überdimensionalen Hühnerbeinen dahinschaukelte! Gerade mal knapp einen Meter hoch über dem Erdboden bewegte sich die Hausunterkante. Moderiger Gestank ging von der Hütte aus und erzeugte Brechreiz. Saranow brach der kalte Schweiß aus; er würgte und sah, während die mit Lehm- und Torfklumpen gespickte Unterseite über ihn hinwegglitt, eines der beiden hinteren Beine direkt auf sich zustampfen. Mühsam stemmte er sich hoch; ein stechender Schmerz jagte durch seine Schulter und ließ ihn wiedersinken. Er kämpfte dagegen an, richtete sich wieder auf - und genau in diesem Moment sank das Haus über ihm kurz ein; erdverklumptes Holz traf seinen Hinterkopf. Benommen flog Saranow nach vorn und mit dem Gesicht in ein Schlammloch. Der flüssige Dreck geriet ihm in Augen, Mund und Nase und ließ ihn in einem Panikreflex wieder hochkommen. Diesmal gab es keinen Zusammenstoß, aber die Rückseite des Hauses hatte ihn schon fast erreicht. Instinktiv rollte er sich zur Seite und konnte nur hoffen, durch den harten Kopfstoß vorübergehend orientierungslos geworden, daß es die richtige Seite war, sonst geriet er trotzdem noch unter den Fuß.
Etwas traf ihn mit verheerender Wucht. Er schrie auf und krümmte sich zusammen wie ein getretener Wurm. Der
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