0512 - Der lachende Tod
Er verlor auch an Gewicht und merkte, wie ihn Schwäche überkam. Stygia wollte ihn auszehren!
»Das ist unmöglich«, keuchte er. Niemals konnte sie so stark sein. Gegen ihn war sie doch ein Nichts. »Du bist nicht Stygia!« stöhnte er. »Nenne mir deine wirkliche Identität!«
Sie lachte spöttisch.
»Vielleicht habe ich dich immer getäuscht, Asmodis! Vielleicht solltest du mich unterschätzen… und jetzt wirst du sterben!« .
Ihr Lachen hallte durch das Höhlensystem. Sid Amos fühlte, wie er mehr und mehr zu einem Schatten verfiel. Und er konnte nichts dagegen unternehmen, weil er auch immer schwächer wurde.
Er begriff es nicht. Wie konnte Stygia plötzlich über eine so unglaubliche Macht verfügen?
Unwillkürlich sah er zu den drei Blinden, die den Zweikampf aufmerksam verfolgten. Aber sie hielten sich aus der Auseinandersetzung heraus; sie blieben neutral. Doch selbst wenn sie zugunsten Stygias eingegriffen hätten, wären sie alle vier niemals stärker gewesen als Sid Amos.
Etwas anderes mußte mit Stygia geschehen sein, daß sie plötzlich so unwahrscheinlich stark war. Aber vermutlich würde er es nicht mehr herausfinden. Er schwand dahin.
***
Teris Fluchtsprung hatte kein genaues Ziel. Sich auf ein solches zu konzentrieren, fand sie keine Zeit. Sie mußte nur aus der unmittelbaren Nähe des Lachenden Todes, ehe dieser sie zwingen konnte, zu seiner Begleiterin werden.
Der zeitlose Sprung versetzte sie innerhalb eines Sekundenbruchteils von einem Ort zum anderen - normalerweise.
Aber plötzlich war alles anders.
Stand die Zeit still?
Warum erfolgte die Rückkehr in die Welt nicht? Was war passiert? Teri sah um sich herum ein wesenloses, grauschwarzes Nichts, und dabei wußte sie mit absoluter Sicherheit, daß der zeitlose Sprung noch nicht beendet war. Sie war also nicht in irgendeiner fremden Dimension aufgetaucht, in der es nur ein solches wesenloses Nichts gab - ganz abgesehen davon, daß sie dafür die Erde erst durch ein Weltentor hätte verlassen müssen. Sie war auch nicht mitten in fester Masse wieder rematerialisiert, um durch die spontane Konfrontation ausgelöscht zu werden. Sie lebte immer noch, sie war körperlich vorhanden und doch in einem Zwischenraum neben der Welt.
In dieser Form hatte sie den zeitlosen Sprung noch niemals erlebt. Sie war zwar schon hin und wieder einmal in magischen Kraftfeldern hängengeblieben, die sich dann äußerst schmerzhaft bemerkbar gemacht hatten, oder der Srung war durch andere magische Störkräfte abgefälscht oder sogar verhindert worden. Aber das hier - war neu!
Und sie konnte nichts tun! Sie konnte den Sprung, der plötzlich nicht mehr zeitlos war, sondern eine Ewigkeit lang zu dauern schien, nicht mehr aus eigener Kraft beenden! Etwas Fremdes schob sich dazwischen!
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ein Arm schob sich zwischen ihren Körper und ihren Arm, hakte sich bei ihr unter. Erschrocken drehte sie den Kopf - und blickte in einen grinsenden Totenschädel.
Er war da!
Er ließ sie nicht gehen! Obgleich es eigentlich unmöglich war, ohne unmittelbaren Körperkontakt - den er erst jetzt herstellte! - der Druidin in den Sprung zu folgen, hatte er es geschafft und sie dabei auch noch eingeholt! Jetzt war er bei ihr, und spöttisch hörte sie ihn reimen: »Gnädige Frau, darf ich es wagen, mein Geleit Ihnen anzutragen?«
Da schrie sie vor blankem Entsetzen, und ihr Schreien wurde zum Krampf und wollte kein Ende mehr nehmen, bis eine Ohnmacht sie endlich erlöste.
Mit dem Verlöschen ihres Wachbewußtseins fand der Sprung jetzt doch sein Ende. Zwei gegensätzliche Gestalten wurden irgendwo auf der Erde wieder wirklich.
***
Nicole wartete. Was, wenn sie sich verrechnet hatte? Wenn die Lamia einen anderen Weg nahm? Oder wenn sie erst gar nicht hier auftauchte, weil ihre »Jagdsaison« vorüber war? Dann konnte Nicole hier draußen in der Landschaft warten und lauern, bis sie so schwarz wurde wie ihr Overall.
Aber sie war sich ihrer Sache ziemlich sicher. Immer wieder sah sie sich um. In einem der Berichte war von einer eigenartigen Kutsche die Rede gewesen, in die ein Opfer gestiegen war, das man später an einer ganz anderen Stelle, aber auch am Rand einer Straße, tot und blutleer aufgefunden hatte. Es war Nicole zwar nicht klar, wieso sich die Lamia, wenn sie es denn tatsächlich war, ausgerechnet einer Kutsche bediente, die mit Sicherheit in der griechischen Antike in dieser beschriebenen Form noch nicht existiert haben konnte. Aber
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