0513 - Sandra und die Mördermaske
nichts.«
»Gut, machen wir weiter.« Ich bückte mich, um die Füße des Toten anzuheben.
»Wissen Sie denn, was mit meinem Bruder geschehen soll?« erkundigte sich die junge Frau.
»Nein, das wissen wir nicht. Wir hoffen, daß er so etwas wie ein Beschleuniger ist, der uns den Weg zu dieser geheimnisvollen Silbermaske zeigt.«
»Und zu Bill Conolly«, fügte Suko hinzu.
»Wer ist das schon wieder?«
»Ein Freund von uns. Er hat uns praktisch auf die Spur der Maske und auch Ihres Bruders gebracht. Haben Sie den Namen noch nie gehört?«
»Nein!«
»Jetzt ist er verschwunden«, erklärte ich. »Wir hoffen, ihn hier im Kloster zu finden oder zumindest eine Spur von ihm.«
»Dann drücke ich Ihnen die Daumen.«
Um das Kloster zu erreichen, mußten wir noch eine freie, mit hohem Gras bewachsene Fläche überqueren. Die Halme bewegten sich im Wind, der sie regelrecht kämmte. Größere Steine waren überwuchert und manchmal auch von Sträuchern verdeckt.
Wir mußten ihnen ausweichen, manchmal auch überklettern, dann standen wir vor den Resten.
Aus der Nähe sahen sie gewaltig aus. Eine Mauer wirkte wie eine Hand, der man die Finger abgeschnitten hatte, so daß nur der Handrücken übriggeblieben war.
Ein paar Yards rechts davon hatte einmal das Tor oder der Eingang gestanden. Er war zusammengekracht, die Trümmer verteilten sich im Gelände, und der Wind blies seinen ewigen Atem über sie hinweg.
Sandra winkte uns zu. »Hierher!« rief sie. »Hier können Sie auf den Hof gehen.«
Das Wort Hof war ein wenig übertrieben. Ich mußte lächeln, doch das fror mir auf den Lippen, denn dieser Hof war schon beeindruckend. Erst jetzt erkannten wir, daß einige Gebäude noch nicht dem Erdboden gleichgemacht worden waren.
Besonders die flachen Bauten. Möglicherweise hatten sich darin die Zellen der Mönche befunden. Wir würden es sehen. Von der Kapelle stand nichts mehr. Sie war gekippt. Das alte Dachkreuz existierte noch. Es bestand aus schwerem Eisen und lag vor uns im Gras, das es überwuchert hatte.
»Wohin mit dem Toten?« fragte Suko.
Sandra gab uns winkend die Antwort. Sie war auf den relativ flachen Bau zugelaufen und hatte eine Tür gesehen. Mit beiden Händen mußte sie diese aufziehen.
»Dann mal los«, sagte Suko.
Ihm machte die Schlepperei nicht so viel aus wie mir. Suko war eben der Kräftigere von uns beiden.
Sandra hatte uns die Tür aufgehalten. Wir betraten einen kalten, zugigen und düsteren Bau. Die Fenster waren offene, viereckige Löcher in der Wand, durch die der Wind pfiff, so daß in diesem Bau ständig Durchzug herrschte.
Wenige Schritte hinter der Tür und ziemlich in der Mitte, legten wir die Leiche ab.
Wie Zinnfiguren umstanden wir sie. Die Deckenhälften waren zur Seite gefallen, Basil Wieran lag so, daß wir ihm auch ins Gesicht sehen konnten.
Ein bleicher, fast schon konturenloser Fleck, ohne Sinnesorgane.
»Es ist mir schwergefallen«, flüstere Sandra. »Es war einfach schlimm, den Toten in den Wagen zu packen. Ich weiß auch nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich habe es geschafft.«
»Darauf können Sie stolz sein.«
Sie lachte laut. »Meinen Sie wirklich?«
»Ja, Sandra. Und wir wollen hoffen, daß unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sind.«
»Sie rechnen damit, daß die Maske zurückkehrt?«
»Das hoffe ich sogar.«
»Psst!« Suko hatte gesprochen und legte danach einen Finger auf die Lippen.
Sandra und ich schwiegen. Wir beobachteten Suko, der sich nicht rührte und schließlich den Kopf schüttelte.
»Nichts?« fragte ich.
»Jetzt nicht mehr.«
»Was hast du denn gehört?«
»Ein… ein fernes Singen, als hätten sich irgendwelche Personen zu einem Chor zusammengefunden.«
»Ich habe nichts gehört.«
»Vielleicht war es der Wind«, sagte Sandra. »Es bläst hier Tag und Nacht.«
Suko schüttelte den Kopf. Er wollte das nicht gelten lassen. »Nein, ich kann schon unterscheiden, ob es Stimmen oder der Wind gewesen waren.«
»Aus welcher Richtung ist es denn geklungen?«
»Du wirst lachen, John. Ich wette darauf, daß es aus der Tiefe hochgedrungen ist.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf den schmutzigen Steinboden.
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Dann müßte es einen Zugang geben. Einen Geheimgang oder etwas Ähnliches.«
»Den werden wir auch finden.« Suko nickte und spannte sich wieder. »Da, das Singen!«
Sandra und ich lauschten jetzt konzentriert. In der Tat vernahmen wir den Gesang. Wobei der Begriff Gesang eigentlich übertrieben
Weitere Kostenlose Bücher