0513 - Sandra und die Mördermaske
war, denn es war nicht mehr als ein leises Summen, als würde sich ein Gesangsverein einstimmen.
Ich ging in die Knie und legte mein Ohr auf den kalten Boden.
Spürte ich tatsächlich ein Vibrieren, oder bildete ich mir das alles ein? So genau war es nicht herauszufinden, jedenfalls blieb der leise, unheimlich klingende Gesang.
»Was tun wir?« fragte Sandra. Selbst in dem schlechten Licht sah ich, daß sie eine Gänsehaut bekommen hatte.
»Zunächst einmal nichts. Wir werden warten.«
»Wollten Sie nicht den Einstieg suchen, Mr. Sinclair?«
»Vielleicht brauchen wir das nicht mehr.«
»Wieso?«
Suko gab die Antwort. »Es kann doch sein, daß die Gestalten, die dort unten singen, plötzlich hier erscheinen.«
Sandra ging zurück. »Von welchen Gestalten sprechen Sie denn, Inspektor?«
»Vielleicht sind es die Geister der Toten, die keine Ruhe gefunden haben. Stellen Sie sich vor, man hat die Mönche, aus welch einem Grunde auch immer, getötet.«
»Dann könnten sie nicht mehr singen.«
»Im Prinzip ja. Wenn sie normal gestorben sind. Sollten sie jedoch auf eine magische Art und Weise ums Leben gekommen sein, ist es möglich, daß ihre Seelen oder Geister spuken.«
»Und daran glauben Sie?«
Ich lächelte knapp. »Das sollten Sie auch, Miß Wieran, wenn Sie an die Maske denken, die auch aus dem Nichts erschienen ist. Wir haben es hier mit Kräften, Mächten und auch Gegnern zu tun, die wir keinesfalls unterschätzen dürfen.«
»Wesen aus einer anderen Welt etwa?«
»So könnte man es ausdrücken«, sagte ich.
Sie schüttelte sich, als hätte ihr jemand eine kalte Flüssigkeit über den Kopf gegossen. »Irgendwie macht mir das alles Angst, Mr. Sinclair. Ich… komme einfach nicht mehr zurecht. Ich bin völlig aus der Bahn gerissen worden.«
»Das sind wir wohl alle. Denken Sie nur daran, daß es wirklich Dinge gibt, die man mit dem normalen Verstand nicht erklären kann. Sie müssen sie einfach hinnehmen.«
»Vielleicht.«
»Ruhe!« Suko hatte das Wort scharf geflüstert. Wahrscheinlich hatte er den Gesang gehört.
Wir schwiegen, und mein Freund deutete mit dem ausgestreckten Zeigerfinger in die Tiefe.
Wir hörten sie ebenfalls.
Diesmal lauter. Es schien, als wären sie auf dem Weg, um uns einen Besuch abzustatten.
Sandra hielt den Atem an. Ihre Augen standen weit offen, ansonsten war das Gesicht erstarrt. Die Haut wirkte fast wie Teig, und ihre Lippen zitterten. Mein Blick richtete sich nach rechts, in die Tiefe dieses Raumes hinein. Wir sahen dort nichts, weil sich in dem Teil auch keine Fenster mehr befanden. Das graue Tageslicht versickerte schon viel früher.
Der Gesang nahm tatsächlich an Lautstärke zu. Das konnte nur bedeuten, daß sich die Sänger, wer immer sie auch sein mochten, in unsere Richtung bewegten.
Wollten sie uns besuchen?
Geister aus dem Reich der Toten, die sich in den Tiefen des Klosters aufgehalten hatten.
Die Töne waren nicht schrill, dafür aber hoch, als wären auch Frauenstimmen dabei.
Falsett-Tenöre, geisterhaft klingend, wie aus einer völlig anderen Welt stammend.
Unsere Spannung wuchs. Wir schauten in die Tiefe des Raumes hinein, ohne etwas sehen zu können. Ein jeder aber ahnte, daß dort an dieser Stelle etwas passieren mußte.
Und es passierte was.
Zunächst war es nur ein Flimmern, das wir erst einmal dicht über den Boden huschen sahen. Einen Moment später veränderte er sich und baute sich regelrecht auf.
Sandra Wieran hatte so etwas noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Sie zeigte sich dementsprechend geschockt oder überrascht.
Zum Glück drehte sie nicht durch.
Das Flimmern nahm nicht an Stärke zu, dafür an Masse. Es kam uns so vor, als würde es ständig Nachschub aus der Tiefe bekommen. Und dieser Nachschub konnte auch nicht von den Steinen aufgehalten werden. Er war einfach da und vervielfältigte sich.
Er wuchs…
Die Höhe bekam die Größe eines normalen, ausgewachsenen Menschen. An der Trennlinie zitterte sie.
»Was ist das?« hauchte Sandra.
»Die Geister«, erklärte ich. »Wir müssen davon ausgehen, daß es die Geister der Toten sind.«
»Der Mönche, nicht?«
»Ja.«
»Und die Maske? Die sehe ich nicht.«
»Vielleicht erscheint sie noch.«
Suko und ich taten nichts. Es war viel besser, zunächst einmal abzuwarten und den unheimlichen Vorgang zu beobachten, der von einer mächtigen, Schwarzen Magie gelenkt wurde. Die Geister waren nicht grundlos erschienen. Sie mußten meiner Ansicht nach eine Aufgabe haben, die
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