0515 - Der mordende Wald
Ausgangsortes blieb, auch wenn sich innerhalb von gut 2000 Jahren nicht nur das Universum weiter ausdehnte, sondern auch die Galaxis um ihren Mittelpunkt rotierte, Sonne und Erde als mittlerweile ganz andere stellare Positionen eingenommen hatten, und auch die Tag-Nacht-Verschiebung für weiteres Chaos sorgte. Es mochte allerdings zu leichten Taumelbewegungen entweder der Erdachse oder der Zeitkoordinate kommen, so daß man nicht unbedingt am exakt gleichen Platz landete.
Zamorra hielt Verschiebungen um bis zu 100 Kilometer durchaus für möglich.
Das Lager erwachte. Ein Kelte kam zu Zamorras Käfig, der wohl auch auf einem Wagen montiert war - der Höhe nach zu urteilen, in der Zamorra sich befand. Der Krieger sagte etwas, das Zamorra nicht verstand. Kein Wunder - keltische Dialekte hatte er nie gelernt. Er sprach griechisch und lateinisch. Falls also einer der Kelten die Sprache des Feindes erlernt hatte, konnte man sich vielleicht verständigen und offenkundige Mißverständnisse aus der Welt räumen.
Zamorra sprach den Mann also in klassischem Latein an, wie er es auch am Hofe des Kaisers Nero erfolgreich getan hatte - allerdings ein paar unwesentliche Jahrzehnte später…
Der Kelte stutzte. Dann spie er Zamorra ins Gesicht und schritt davon.
***
Das Römerlager zeigte sich in den frühen Morgenstunden in einem entsetzlich desolaten Zustand. Marcus Remigius und Remus Tiberius waren praktisch die beiden einzigen, die einen klaren Kopf besaßen - um so erschreckender war das Bild, das sich ihnen bot. Der einzige Trost für die gesamte Mannschaft war, daß es den Offizieren nicht minder schlecht ging. So hielten sich Schikanen gegen Untergebene in Grenzen, und die Offiziere ließen schon in eigenem Interesse kein besonderes Tempo vorlegen.
Marcus Remigius gehörte zu denen, die zu einer Besprechung befohlen wurden. Später traf er sich mit seinem Freund.
»Aufgrund der etwas… äh… unangenehmen Lage eines jeden Einzelnen wird sich der Abbau des Lagers nicht über einen halben Tag erstrecken, wie eigentlich vorgesehen, sondern für eineinhalb. Im Klartext: Wir brechen erst morgen ab und auf. Für heute sind Übungen angesetzt. ›Die Helme sollen ihnen dröhnen‹, hat er gesagt, der Herr Lagerkommandant. Nebenbei fragt man sich, wie es möglich ist, von einer ganz normalen Weinration dermaßen trunken zu werden. Der Centurio selbst hat die noch vorhandenen Vorräte überprüft und gestaunt. Er will jetzt eine ausgewählte Gruppe von Legionären probieren lassen; wenn die wieder von nur einem einzigen Becher aus den Sandalen kippen, wird das ganze Zeug weggeschüttet. Ich halte das für sehr vernünftig. Mögen die Regenwürmer und Käfer sich daran berauschen.«
»Was sagt er wegen des entflohenen Gefangenen?« fragte Remus nach.
Der Centurio grinste. »Willst du es wirklich wissen? Kennst du noch nicht genug Flüche? Ich habe jedenfalls ein paar neue gehört, die jeden Galeerenkapitän erblassen ließen. Sogar ein paar hebräische sind dabei.«
»Kein Bedarf«, brummte Remus. Er wußte , daß er den Flüchtigen getroffen hatte. Aber sie hatten ihn dann in der Dunkelheit nicht mehr gefunden. Der Bursche mußte seine Wunde verbunden haben; die zerbrochenen Reste des Pfeils lagen etwa dort, wo Remus ihn erwischt haben mußte. Und die Spur im Gras hörte einfach auf. Es war, als habe er sich entweder in Luft aufgelöst oder in dieselbe erhoben. So waren die beiden Männer mit leeren Händen ins Casteilum zurückgekehrt.
»Was sagt er wegen meiner Rückkehr und des Todes von Sena und Gaius?«
Der Centurio schüttelte den Kopf. »Er hat noch nicht nach dir verlangt. Also scheint er von deiner Rückkehr noch nichts zu wissen. Wenn du mich fragst: Bleib in meinem Zelt und melde dich irgendwann im Durcheinander der späten Nachmittagsstunden zurück. So, als wärst du gerade erst eingetroffen. Ich habe deine Anwesenheit noch nicht erwähnt, auch nicht in Zusammenhang mit der Flucht des Gefangenen. Aber am Nachmittag dürfte der Centurio geistig wieder halbwegs aufnahmefähig sein. Dann kannst du Bericht erstatten.«
»Aber Sena und Gaius sind tot«, stieß Remus hervor. »Sie…«
»Sie werden nie wieder lebendig. Glaubt du, den Centurio zu einem Rachefeldzug überreden zu können?«
Remus schwieg.
»Der Centurio hält sich an Caesars Befehle. Die lauten: vorstoßen nach Bibracte, zwischendurch Kampfhandlungen vermeiden. Damit ist auch nicht mehr interessant, was du eventuell erfahren hast. Man will
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