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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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her - Frühaufsteher oder Wächter, deren nächtlicher Dienst jetzt endete?
    Zamorra fröstelte. Hemd und Hose waren nicht gerade geeignete Kleidung für diese feuchtkühle Morgenstunde. Er hoffte, daß der Trank aus der Quelle des Lebens ihn vor einer Erkältung oder gar Lungenentzündung bewahrte; immerhin sollte das Quellwasser ja nicht nur den natürlichen Alterungsprozeß für immer stoppen, sondern auch verhindern, daß sich Krankheitskeime im Körper einnisteten. [5]
    Ein keltisches Lager…
    Ein Dorf oder gar eine Stadt war es keinesfalls. Zamorra hatte aus dem Geschichtsunterricht genug behalten, um zu wissen, wie die Vorfahren in Gallien gebaut hatten. Es war also ein Wanderlager. Diese Erkenntnis schränkte den Zeitraum schon ein wenig ein. Wann waren hier keltische Stämme auf Wanderschaft gewesen? Er grübelte. War das nicht im 1. Jahrhundert vor der Zeitenwende gewesen? Da waren die Sueben, aus Norden kommend, in das Gebiet der heutigen Schweiz eingefallen, hatten die dort ansässigen Helvetier verdrängt. Wie hatte Caesar doch gleich geschrieben? »Sie steckten alle ihre Städte - zwölf an der Zahl - in Brand, vernichteten ihre Getreidevorräte mit Ausnahme derjenigen, die sie mitzunehmen gedachten, um, wenn ihnen einmal die Hoffnung auf eine Rückkehr genommen sei, desto entschlossener alle Gefahren auf sich zu nehmen.« Weiter schrieb Caesar, wie Zamorra sich erinnerte, daß sie im März des Jahres 58 v. Chr. aufgebrochen seien, 360 000 Menschen, 6 000 Fahrzeuge, 24 000 Zugtiere. Zamorra hielt diese Zahlen für weit übertrieben, aber Übertreibungen hatten immer zu Caesars Natur gehört; je gewaltiger er den Feind schilderte, um so glanzvoller war natürlich seine eigene Leistung. Der alte Knabe hatte sich verdammt gut zu vermarkten gewußt.
    Bei Genf hatten die Helvetier über die Rhône setzen wollen, um dann ein kurzes Stück durch das bereits zur »Gallia Narbonensis« gehörende Gebiet der Allobroger zu ziehen. Sie folgten der Einladung des Dumnorix ins Haeduer-Land zwischen Saône und Loire. Caesar verweigerte ihnen aber den Zug durch die römische Provinz und verlegte ihnen mit seinen Truppen den Weg. Die Helvetier taten ihm nicht den Gefallen, zu kämpfen, sondern verlegten ihre Marschroute weiter nach Norden. Prompt ließ Caesar verlogene Schauermärchen über angebliche Greueltaten der Helvetier verbreiten, legte ein frisiertes Hilfeersuchen des Diviciacus dem römischen Senat vor, hob, noch ehe dieser darüber entschied, neue Truppen aus, und schlug die Helvetier bei Bibracte, dem heutigen Autun, in einer blutigen Schlacht, in der angeblich eine Viertelmillion Helvetier umkamen. Eine ebenfalls recht unwahrscheinliche Zahl, selbst wenn man verschiedene kleinere Scharmützel in der Umgebung hinzurechnete. Von seinen eigenen Gefallenen schrieb er nur in einem beiläufigen Nebensatz; immerhin mußten sie zahlreich gefallen sein, wenn die Bergung der Verwundeten und das Bestatten der toten Legionäre drei ganze Tage in Anspruch genommen hatte und die Besiegten daher nicht weiter verfolgt werden konnten. Die Helvetier zogen sich schließlich wieder in die Schweiz zurück - wo sie bis heute endgültig verblieben waren.
    Dunkel erinnerte Zamorra sich daran, daß im gleichen Jahr auch bei Lugdunum, dem heutigen Lyon, eine heiße Schlacht stattgefunden hatte. Und das war verdammt nahe - nur gut 50 Kilometer vom Château Montagne entfernt…
    50 Kilometer waren für antike Verhältnisse zwar eine beachtliche Distanz, aber historische Quellen können unzuverlässig sein. Die Geschichtsforscher verließen sich vorwiegend auf römische Berichte, und es gab zwar Grabungsfunde - aber drüben in Deutschland hatte man ja bis heute nicht einmal den genauen Ort der Varus-Schlacht fixieren können, obgleich die einen Wendepunkt in der römisch-germanischen Kriegsgeschichte darstellte! Vielleicht befanden sich Zamorra und seine Begleiter derzeit genau dort, wo die Schlacht bei Lugdunum getobt hatte. Zeitversetzungen besaßen unerklärlicherweise die fatale Tendenz, in unmittelbare Nähe historischer Schauplätze zu führen…
    Immerhin: dies war nicht das Loire-Tal. Die Landschaft stimmte nicht. Selbst wenn man in Betracht zog, daß es damals auch im südöstlichen Frankreich wesentlich waldreicher ausgesehen hatte.
    Dennoch war Zamorra sicher, daß sie nicht wirklich sehr weit vom Château entfernt waren.
    Im allgemeinen konnte man davon ausgehen, daß man bei Zeitreisen in überschaubarer Nähe des

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