0515 - Die Wächter der Einsamkeit
er seinen kahlen Schädel im Spiegel glänzen sehen wollte.
Endlich hatte er seine Uniformjacke angezogen.
„Tatcher a Hainu!" sagte er gedehnt. „Worauf warten Sie noch?"
Er kam auf mich zu wie ein Gebirge, das plötzlich zu laufen begonnen hatte. Ich stürmte auf den Gang hinaus und wappnete mich gegen die Unfreundlichkeiten, die ich in wenigen Augenblicken zu hören bekommen würde.
Alaska Saedelaere, der an Bord der GOOD HOPE II als Chef der Ortung füngierte, war im allgemeinen ein verträglicher Vorgesetzter, aber er bestand auf Pünktlichkeit seiner Mitarbeiter. Aber das, was er zu sagen haben würde, bedrückte mich weniger als die Aussicht auf eine Auseinandersetzung mit jenen beiden Männern, die Rorvic und ich um sieben Uhr hätten ablösen sollen.
Vor dem Antigravschacht blieb ich wieder stehen.
„Sie werden es wieder mir anlasten!" sagte ich ärgerlich. „Ich muß mir jedesmal die Vorwürfe anhören."
Er grinste breit und versetzte mir einen Tritt gegen mein verlängertes Rückgrat. Ich schrie auf und kippte in den Schacht.
Rorvics Angriffe waren hinterhältig, weil seine Bewegungen im Ansatz niemals zu erkennen waren. Entweder schleppte er sich wie ein müdes Nilpferd voran, oder er explodierte in einer gezielten Aktion.
Ich brauchte ein paar Sekunden, um meinen schwerelosen Fall zu korrigieren. Rorvic sank neben mir abwärts. Er hatte die Arme über der mächtigen Brust verschränkt. Er sah sehr milde aus; harmlose Gemüter hätten sich so den Prototyp eines Wohltäters vorgestellt.
Im E-Deck traten wir aus dem Schacht.
„Sie haben mich getreten!" fuhr ich ihn an. „Eines Tages werde ich mich für alles rächen, was Sie mir angetan haben."
Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, was er von Rachegefühlen hielt. Rorvic verstand es wie kein zweiter, allein durch Herabhängen der Mundwinkel Verachtung auszudrücken.
Während wir uns der Ortungszentrale näherten, öffnete Rorvic seine Gürteltasche, entnahm ihr ein Nahrungskonzentrat und schob es in den Mund.
„Jedesmal müssen wir auf eine warme Mahlzeit verzichten!"
knurrte ich. „Wenn Sie einmal früher aufwachen würden, könnten wir wie die anderen in der Messe essen."
Er sah mich strafend an.
„Sie legen zuviel Wert auf fleischliche Genüsse!"
„Sie Heuchler!" schrie ich auf. „Dabei sind Sie einer der verfressensten Männer an Bord."
„Das stimmt nicht", widersprach er ruhig. „Toronar Kasom übertrifft mich."
Ich schwieg, weil ihm sowieso nicht beizukommen war.
Wir standen jetzt vor dem Eingang der Ortungszentrale. Ich schwöre, daß ich alles versuchte, um Rorvic vor mir eintreten zu lassen, doch er packte mich am Nacken, hob mich vor die Tür und schob mich mit seinem Bauch vor sich her in den Ortungsraum.
„Guten Morgen!" begrüßte uns Alaska in seiner holprigen Sprechweise.
Ich senkte den Blick. Ich kannte diesen Tonfall.
„Nun, Captain a Hainu?" Saedelaere stand neben einem Bildschirm, auf dem der Schwarm zu sehen war.
Als ginge ihn das alles nichts an, wälzte Rorvic sich an mir vorbei und näherte sich seinem angestammten Platz, wo ein wütender Techniker bereits auf ihn wartete.
„Sie sind zwanzig Minuten zu spät!" warf der Techniker Rorvic vor.
Der Riese tätschelte ihn beruhigend auf die Schulter, wobei der Mann ein Stück in die Knie ging und sich ohne weiteren Protest zurückzog.
Nun folgte eines jener phänomenalen Ereignisse, das in Rorvics Umgebung immer wieder großes Erstaunen hervorrief.
Der Ultrafrequenz-Ingenieur ließ sich in einem Sessel nieder, der für einen normal gebauten Menschen konstruiert war.
Zunächst saß Rorvic nur auf den Lehnen, dann rutschte er Millimeter für Millimeter tiefer, bis er schließlich in den Sessel eingekeilt war und nur noch den Oberkörper bewegen konnte.
Ein Raumfahrer hatte einmal erzählt, daß Rorvic beim Aufstehen einen Sessel aus der Verankerung gerissen und mitgeschleppt hatte. Ich hielt das für übertrieben, aber wer den Albino so sitzen sah, konnte ähnliche Befürchtungen bekommen.
„Ich warte!" Das war wieder Saedelaere.
Ich blickte ihn an. Durch die Mund-und Augenschlitze fiel das Licht des Cappin-Fragments. Saedelaere war mir unheimlich, obwohl er nichts getan hatte, was in irgendeiner Weise beängstigend gewesen wäre. Ich konnte mich einfach nicht über mein Unbehagen hinwegsetzen, wenn ich in der Nähe des Transmittergeschädigten war. Wahrscheinlich erging das vielen von uns so.
„Ich entschuldige mich", sagte ich. Ich
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