Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0515 - Die Wächter der Einsamkeit

Titel: 0515 - Die Wächter der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
bitte aufstehen?"
    Natürlich reagierte er nicht. Auf dem Tisch stand eine Kanne.
    Sie war leer. Ich ergriff sie und schlug sie Rorvic auf den Schädel.
    Er schloß die Augen, was bei ihm ein gutes Zeichen war. Dann gähnte er. Als er zu blinzeln begann, hoffte ich, daß er endgültig aufwachen würde. Ich stellte die Kanne zur Seite, denn ich befürchtete, daß er eines Tages ergründen könnte, warum er immer dann Beulen am Kopf hatte, wenn ich ihn weckte.
    Er öffnete die Augen. Diesmal waren seine Blicke nicht in fremde Universen gerichtet, sondern auf mich. Es war mir schon immer unangenehm gewesen, den Blick dieser roten Augen erwidern zu müssen, aber in diesem Augenblick fürchtete ich, er könnte mich damit durchbohren.
    „Guten Morgen!" rief ich freundlich.
    Ich wußte, daß er meine Stimme nicht leiden konnte. Er behauptete, ich würde keifen. Da er sogar im Sitzen größer war als ich, befand ich mich ihm gegenüber stets in einer etwas ungünstigen psychologischen Situation.
    „Verschwinden Sie!" rief er.
    Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, daß ich in der Zeit, die er zum Aussprechen dieser Worte brauchte, ein halbes Dutzend Sätze hervorgebracht hätte. Aber es war nicht allein die Langsamkeit seiner Sprechweise, die meinen Blutdruck jedesmal ansteigen ließ, sondern auch der Tonfall seiner Stimme. Ich hätte schwören können, daß Rorvic im Gegensatz zu anderen Menschen mit der Brust sprach. Seine Stimme kam tief aus dem Körper, wenn er ein Rsprach, rollte es wie Gewitterdonner.
    Ich blickte demonstrativ auf meine Uhr.
    „Es ist bereits sieben, Rorvic!"
    Er ignorierte das. Ich wünschte, ich hätte ihn einmal aufregen können. Aber er regte sich nie auf. Solange ich zurückdenken konnte, hatte er sich kein einziges Mal geärgert. Er war ein Phlegmatiker, ein ungehobelter Bursche ohne Jedes Taktgefühl und ohne einen Funken Ehrgeiz.
    „Gib mir mein Hemd!" befahl er.
    Ich kniff meine Augen zu.
    „Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben, Captain!"
    Er stand auf. Bei jedem anderen Mann wäre das ein Vorgang gewesen, der keiner Beschreibung bedurft hätte.
    Nicht so bei Dalaimoc Rorvic!
    Der Ultrafrequenz-Ingenieur machte aus dem Aufrichten seines Körpers eine Zeremonie. Zunächst winkelte er die Arme an, dann stöhnte er mit einer Inbrunst, als müßte er tonnenschwere Gewichte bewegen. Dabei drehte er den Kopf in einer Weise, daß es schon an ein Wunder grenzte, daß er sich dabei nicht einen Halswirbel brach. Dann streckte er die Beine aus, steckte den Kopf zwischen die Arme und wälzte sich in dieser Haltung auf den Bauch.
    Seltsamerweise wurden die Wände des kleinen Raumes bei diesem Vorgang nicht erschüttert.
    Nach dieser Demonstration unglaublicher Gelenkigkeit hätte ein unerfahrener Zuschauer vielleicht erwartet, daß Rorvic nun auf seinem Bauch zu rotieren beginnen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Rorvics nächste Handlung war jedoch nicht minder ungewöhnlich. Geschmeidig, als wäre sein Körper schwerelos geworden, stand Rorvic in einer fließenden Bewegung auf, schüttelte sich einmal kurz und ließ dann die Schultern hängen.
    Jetzt sah er wieder aus, als würde er im nächsten Augenblick im Stehen einschlafen. Er riß das riesige Handtuch von seinem Körper und warf es mir über den Kopf.
    Er lächelte mich überlegen an, als ich fluchend auf dem Handtuch herumtrampelte.
    Er wälzte sich durch die Kabine und fischte aus einem Wust unordentlich hingeworfener Kleidungsstücke seine Unterhose.
    Ich werde nie begreifen, wie ein einziger Mann eine Unterhose solchen Ausmaßes ausfüllen kann, aber Rorvic schaffte es mühelos. Danach zog er sich ein Unterhemd von der Größe eines Schiffsegels über den Kopf, schlüpfte in ein lindgrünes Hemd und stieg in eine Hose, an der unbestätigten Gerüchten zufolge zwei Robotschneider eine Woche lang gearbeitet hatten.
    Es war sechs Minuten nach sieben.
    „Captain!" flehte ich ihn an. „Beeilen Sie sich etwas. Man wird uns maßregeln."
    Diese Aussicht entlockte Rorvic nur ein Brummen, und wer ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, wäre bereit gewesen zu schwören, daß es im gesamten Universum kein Wesen geben konnte, das einen Mann wie ihn hätte maßregeln können.
    Er begann mit dem Einölen seiner Glatze. Das war ebenfalls eine seiner widerlichen Angewohnheiten. Er ließ sich niemals darüber aus, ob er die Glatze einölte, um einen - wenn auch noch so spärlichen - Haarwuchs zu erzeugen, oder ob

Weitere Kostenlose Bücher