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052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde

052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde

Titel: 052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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stecken, und wenn der Alte
vielleicht in der Zwischenzeit bemerkt hatte, dass er die Tasche vertauschte,
würde er möglicherweise auf die Ausweispapiere von Michele Claudette stoßen.
    Es war keine Neugierde, die sie dazu trieb, das schmuddelige Tuch auf die
Seite zu ziehen, um zu sehen, was sich darunter befand. Möglich, dass der
Fremde hier etwas aufbewahrte, was auf seine Identität schließen ließ.
    Aber der erste Blick in die Tasche zeigte ihr, dass er offensichtlich nur
unterwegs gewesen war, um etwas einzukaufen. Offenbar holte er seine Fleischwaren
aus einer günstigen Quelle irgendwo in einem Pariser Vorort.
    Sie nahm den Plastikbeutel heraus, legte ihn auf den Tisch und sah, dass
sich sonst nichts weiter in der Tasche befand.
    Doch ihre Augen weiteten sich plötzlich.
    Michele Claudette wurde leichenblass und merkte, wie ein Schwindelgefühl
sie ergriff.
    Das Blut rauschte in ihren Ohren, und alles in ihr sträubte sich gegen das,
was sie sah.
    Sie konnte den Blick nicht von dem Fleischklumpen wenden, der da vor ihr
auf dem Tisch lag. Hinter dem weichen Material der Frischhaltefolie erkannte
sie die dunkelblonden, blutverschmierten Haare, die aufgerissenen Augen und den
halb zum Schrei geöffneten, verzerrten Mund einer Frau.
    In der Folie war ein abgeschlagener,
menschlicher Kopf eingewickelt!
    Für den Bruchteil einer Sekunde war sie wie erstarrt. Alles Leben wich aus
ihrem Körper, und sie glaubte, eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen.
    Dann gellte ein markerschütternder Schrei durch ihre Wohnung. Michele
Claudette wankte, wich zwei, drei Schritte zurück und fing an, am ganzen Körper
zu zittern. Sie rannte zur Wohnungstür, hielt verkrampft die Klinke umspannt
und besann sich im letzten Augenblick, dass sie nackt war und unmöglich hinaus
auf den Gang rennen konnte.
    Sie atmete rasch und flach. Auf ihrer Stirn stand der kalte Schweiß, lief
ihr über die Schläfen und in die Augenwinkel und verklebte ihre Wimpern.
    Michele Claudette musste gegen die Ohnmacht ankämpfen, die sie zu
übermannen versuchte.
    Krampfhaft hielt sie sich an der Türklinke fest, lehnte sich gegen die Wand
und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
    Alles kam ihr so unwirklich, so ungeheuerlich und unheimlich vor. Sie
fürchtete sich plötzlich in ihrer eigenen Wohnung. Sie sah die Umrisse des
Wohnzimmertisches und wusste, dass dort die Folie mit ...
    Es fiel ihr schwer, die quälenden Gedanken abzuschütteln.
    Ihr Atem wurde ruhiger, ihr Herzschlag normalisierte sich wieder, als sie
sich dazu zwang, die Dinge vernünftig und logisch zu betrachten.
    Aber was war hier vernünftig, was war hier logisch?
    Nur eines zeichnete sich scharf und klar in ihrem aufgepeitschten
Bewusstsein ab: im Abteil der Linie 9 hatte sie einem Mörder gegenübergesessen! Der Alte war ihr vom ersten Augenblick an
eigenartig und unheimlich vorgekommen. Sie erinnerte sich an seine Augen: kalt,
unpersönlich ... die Augen eines Mörders!
    Michele Claudette taumelte mehr, als dass sie ging und musste sich am
Pfosten der Wohnzimmertür stützen.
    Ihre Gedanken drehten sich ständig im Kreis.
    Plötzlich zuckte sie zusammen.
    War da nicht ein Geräusch draußen auf dem Gang vor ihrer Wohnung?
    Sie hielt den Atem an und lauschte.
    Ihr erster Gedanke galt dem Alten, dem sie in der Metro begegnete. Er hatte
ihre Ausweispapiere in der ihr gehörenden Reisetasche gefunden, er hatte sich
sofort auf den Weg gemacht und ...
    Die Angst schnürte ihr fast die Kehle zu.
    Wenn er wirklich gekommen war, was dann ...?
    Aber da war nichts. Der Aufzug, nur wenige Schritte von ihrer Wohnung
entfernt, rauschte in die Tiefe.
    Michele wartete drei Minuten. Sie hörte gleich darauf den Lift noch einmal.
Er hielt im zweiten Stockwerk.
    Auf ihren Schrei, so schoss es ihr durch den Kopf, hatte auch niemand in
der Nachbarschaft reagiert. Das war nicht verwunderlich. Der Mieter in der
unmittelbar angrenzenden Wohnung war nur sehr selten zu Hause. Er war
Handelsvertreter und ständig auf Reisen. Und die Nachbarn über und unter ihr
hatten wahrscheinlich nichts gehört, weil sie in tiefem Schlaf lagen. Selbst
wenn hier jemand im Haus mal schrie, und ein anderer hörte es zufällig, dann
nahm er gewiss keine Notiz davon. In diesem Appartementhaus waren die Menschen
bunt zusammengewürfelt. Hier lebten Mädchen mit zweifelhaftem Ruf ebenso wie
gutsituierte Familien. Diese Appartements machten es möglich, dass einige
hundert Menschen unter ein und demselben Dach wohnen, und

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