052 - Die Schlangengrube
Alte. »Er hat seine Fehler und ist sehr dickköpfig, aber er sorgt für die Sippe, so gut er kann. Mit seiner Frau Louretta hat er drei Söhne von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren und eine achtzehnjährige stumme Tochter, Lucia, die Schlangenbeschwörerin. Anatol Drago, Lourettas Bruder, ist ein fauler und nichtsnutziger Taugenichts. Rosario Amalfi, Raffaels Onkel, und seine Frau sind sehr ruhige alte Leute. Ihr Sohn Luis und seine Frau mit ihren fünf Kindern gehören auch zur Sippe. Luis ist ruhig und umgänglich, solange man ihn nicht reizt. Seine Frau Natalie dagegen ist ein richtiger Weibsteufel. Selbst als Mutter von fünf Kindern juckt es sie noch in den Hosen. Sie hat schon mehrmals die ganze Sippe durcheinander gebracht, aber die strengen Sippengesetze und unsere Gemeinschaft halten sie im Zaum. Dann ist da noch Ramona, die Hervio Masto, den Knochenmenschen, heiraten musste, weil er sie schwängerte. Sie war und ist ein übles Luder. Der Wolfsmensch Gunter ist mit der Bauchtänzerin Sheila verheiratet, sie stammen aus Deutschland und sind beide über zehn Ecken mit den Amalfis verwandt. Der Muskelmann Herkules ist der debile Sohn eines Onkels von Raffael. Die übrigen Mitglieder der Monstrositätenschau und die beiden Liliputaner Pit und Patty, die zwei ganz normal gewachsene Kinder haben, sind nicht mit den Amalfis verwandt.«
Dorian konnte sich zwar nicht alle Personen merken, aber er hatte immerhin einen Überblick.
Sie erreichten Hampstead.
»Du kannst mich hier absetzen«, sagte die Alte.
Dorian dachte nicht daran. Er fuhr weiter. Zarina protestierte, doch Dorian fuhr direkt zum Rummelplatz. Um diese Zeit herrschte hier noch kein Betrieb.
Vor den Wagen der Amalfis hielt Dorian an. Er stieg aus und öffnete für die alte Zarina den Wagenschlag.
Wütend funkelte sie ihn an. »Das hast du schon vorgehabt, als du mir angeboten hast, mich ein Stück zu fahren. Deshalb also die Rücksichtnahme.«
»Seien Sie froh, dass Sie nicht zu laufen brauchten«, grinste Dorian.
Ein paar Mitglieder der Amalfi-Sippe hatten gesehen, dass er Zarina brachte. Raffael Amalfi kam aus dem Wohnwagen. Er war spät aufgestanden, hatte noch den Rasierschaum im Gesicht, war im Unterhemd, und sein Bauch beulte es mächtig aus.
Dorian sah Lucia aus dem Fenster lugen. Eine Schlange ringelte sich um ihren Hals. Kinder glotzten den Dämonenkiller neugierig an.
Die alte Zarina verschwand in ihrem Wohnwagen, nachdem sie noch einen giftigen Blick auf Dorian abgeschossen hatte.
Dorian trat auf den Sippenchef zu. »Ich muss mit Ihnen reden, Raffael Amalfi. Es ist sehr wichtig.«
Amalfi deutete über die Schulter auf die vordere Tür des großen Wohnwagens. Dorian trat ein. Die fette Louretta war gerade mit Saubermachen beschäftigt.
»Was tragt ihr mir denn schon wieder Dreck herein?«, keifte sie. »Ständig könnte man hier putzen.«
Raffael Amalfi scheuchte sie hinaus. Sie ging nach nebenan in den größten Raum des Wohnwagens. Man hörte noch ein paar Schimpfworte durch die Tür.
»Was gibt es?«, fragte Raffael mürrisch.
Sein Englisch war gut verständlich, wenn er auch einen starken Akzent hatte.
»Die alte Zarina hat Vertrauen zu mir«, sagte Dorian. »Sie ist zu mir gekommen. In eurer Sippe verbirgt sich ein Dämon, Amalfi. Er muss vernichtet werden, und ich will euch dabei helfen.«
»Sie – ein Reporter? Sie suchen doch nur eine Sensation.«
Dorian schüttelte den Kopf. »Ich bin kein richtiger Reporter. Ich war es früher einmal. Jetzt bekämpfe ich die Dämonen und habe schon viele zur Strecke gebracht.« Dorian öffnete sein Hemd und nahm die gnostische Gemme vom Hals. Er zeigte sie Raffael Amalfi. »Wissen Sie, was das ist?«
»Keine Ahnung. Irgendein Talisman.«
Dorian war auf Raffaels Reaktion beim Anblick der gnostischen Gemme gespannt. Doch der Sippenchef verzog keine Miene. Eine gnostische Gemme bereitete den allermeisten Dämonen Schmerzen. Sie konnten wahre Zustände bekommen.
»Das ist eine gnostische Gemme«, erklärte Dorian. »Eines meiner Hilfsmittel.«
Amalfi schaute darauf und hob beiläufig die Schultern. Plötzlich aber presste er die Hand auf den Leib und verzog das Gesicht.
»Was ist?«
»Ach, nichts. Leibschmerzen. Das habe ich öfter. Bei Allesfressern, Feuerspuckern und Schwertschluckern ist es ein Berufsleiden. Es hat nichts zu bedeuten. Mein Vater ist steinalt geworden damit.« Seine Züge entspannten sich wieder. Er strich sogar mit seinem dicken Zeigefinger über die
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