0524 - Er raubte die mordende Göttin
den lauten Schreien der Zeugen, die etwas gesehen hatten und auch noch mehr sahen, denn aus dem Unfallwagen sprang von der Beifahrerseite her eine Frau.
Sie war schnell, schien unter Schock zu stehen, denn sie rannte weg wie ein Wiesel und hetzte auf den Eingang der sich in der Nähe befindlichen U-Bahn-Station zu.
Der Busfahrer erreichte den Wagen als erster. Es gelang ihm unter Mühen, die verklemmte Fahrertür aufzuziehen. Was er sah, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln.
Der Fahrer war noch angeschnallt und zur Seite gesunken. Durch den Aufprall konnte er nicht gestorben sein, denn wo der Busfahrer auch hinschaute, sah er Blut…
***
Suko und ich standen keuchend an der Unfallstelle. Wir waren gerannt, denn es hatte sich blitzschnell auch bis zu uns durchgesprochen, was geschehen war.
Cliff Morris lebte nicht mehr. Er war ebenfalls auf eine furchtbare Art und Weise ums Leben gekommen. Ich tauchte mit bleichem Gesicht wieder aus dem Innern des Dienstwagens, griff zu den Zigaretten und zündete ein Stäbchen an.
»Der Guru«, flüsterte Suko. »Verdammt auch. Dieser Hundesohn dreht durch.«
»Und er hat Morris erwischt.«
»Wie meinst du das?«
Ich trat einen Schritt zur Seite und stand im Schatten des Busses, außerdem nicht mehr den Kollegen im Weg. Uniformierte waren dabei, den Verkehr umzuleiten. Es hatte auch schon die ersten größeren Staus gegeben, und aus dem düsteren Himmel rieselte es noch immer.
»Wie ich das meine? Ganz einfach. Cliff Morris hat ebenso gewußt, was möglicherweise auf ihn zukommt, wie wir auch. Er hätte sich doch wehren können, verdammt.«
»Das stimmt.«
»Weshalb hat er es nicht getan?«
»Keine Ahnung.«
»Das müssen wir aber herausfinden. Dann interessiert mich, ob der Mörder im Auto gesessen hat oder nicht. Wie und wann ist er zugestiegen? Alles Fragen, auf die es eine Antwort geben muß.«
»Meine ich auch. Was ist mit den Zeugen?«
»Die werden wir uns vornehmen.«
Der ermittelnde Beamte war ein Kollege vom Yard. Er hatte nicht nur den Busfahrer als Zeugen zur Verfügung, auch zwei andere Personen. Eine davon war weiblich.
Ich hörte, wie die Frau berichtete. Sie trug einen braunen Mantel und ein Tuch aus Plastik über ihrem Kopf. »Ich habe doch genau gesehen, wie es geschehen ist!« rief sie laut. »Ehrlich. Der Wagen fuhr in den Bus, dann ist jemand ausgestiegen und weggelaufen.«
»Wer?« fragte ich.
»Das habe ich schon gesagt.« Die Frau schaute mich fast widerwillig an.
»Können Sie es trotzdem wiederholen, Madam?«
Meine Freundlichkeit schien sie beeindruckt zu haben, denn sie gab mir die Antwort. »Ja, es war eine Frau, wissen Sie? Den Wagen hat eine Frau verlassen!«
Ich starrte zum Himmel. »Sie sind sich hundertprozentig sicher?«
»Ja, ich kann mich auf meine Augen verlassen. Es war eine Frau.«
»Okay. Wissen Sie auch, wo diese Person hingelaufen ist, Madam?«
»Natürlich.«
Sie hatte die Antwort mit einer so großen Selbstverständlichkeit gegeben, daß ich stutzig wurde. »Wohin denn?«
»Zur U-Bahn!«
»Gut, und wie sah sie aus?«
Wir bekamen eine Beschreibung, mit der wir etwas anfangen konnten. Nicht, weil sie einen dunklen Mantel getragen hatte, das Kopftuch mit der schwarzen Grundfarbe und den goldenen Ornamenten war viel auffallender. »Daran erinnern Sie sich genau, Madam?«
»Klar. So etwas fällt auf. Als sie lief, da glänzte es sogar noch im Regen.«
»Ich danke Ihnen. Sie haben uns sehr geholfen, Madam.«
»Na ja.« Jetzt hob sie die Schultern und tat etwas verlegen, während Suko sich schon an mich wandte und den gleichen Gedanken hatte wie ich. »Zur U-Bahn?«
»Genau.«
»Dann los!«
Bis zum Eingang war es nicht mehr als ein Katzensprung. Wir liefen rasch die Treppe hinunter, denn die Aussage der Zeugin konnte eine große Chance sein.
Seit dem großen Brand in einer U-Bahn-Station war das Rauchen dort verboten worden. Damit sich die Fahrgäste auch daran hielten, hatte man einige Beamte in jeder Station abgestellt, die diese Maßnahme überprüften. Die Leute taten mit sehr wachen Augen ihren Dienst. Deshalb konnte es durchaus möglich sein, daß ihnen die Person mit dem außergewöhnlichen Kopftuch aufgefallen war.
Die Stoßzeiten waren glücklicherweise vorbei. Am Morgen und am frühen Abend drängten sich die Fahrgäste. Gegen Mittag war es relativ ruhig, so daß wir einen guten Überblick bekamen.
Londoner U-Bahnschächte sind keine Kunstwerke, da muß man schon nach Moskau fahren, aber sie sind
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