0526 - Der unheimliche Templer
Besitzer seinen Weinkeller plündern wollte, so sehr hatte er sich über den Besuch der vier gefreut. Sie brachten Abwechslung in seine Einsamkeit, das hatte gefeiert werden müssen.
Der Morgen danach zeigte die verkaterten Gestalten, die sich anschauten, die Köpfe schüttelten, heißen Kaffee in sich hineingossen und gefragt wurden, ob sie nicht bleiben wollten.
Sie stimmten gemeinsam dagegen. Die letzte Nacht hatte ihnen ausgereicht. Zudem sah an diesem Tag das Wetter gar nicht mal schlecht aus. Zwar hingen noch dicke Wolken am Himmel, aber zwischen ihnen lugte eine blasse Sonne hervor.
Es mußte nur noch die Frage beantwortet werden, wer fahren sollte. »Auslosen«, schlug die blonde Simone vor und strich die langen Strähnen zurück, um sie im Nacken durch ein Gummiband festzubinden.
Die übrigen waren einverstanden. Sie entschieden sich für Zündhölzer. Auch die Frauen konnten Auto fahren, und das Pech hatte Arlette Omere. Sie zog das längste Zündholz.
»Einverstanden?« fragte Marcel. Sein Haar war schwarz wie das Gefieder eines Raben, die Haut entsprechend dunkel. Er wirkte wie ein Südfranzose, dabei stammte Marcel Wächter aus dem Elsaß.
Arlette lächelte. »Bleibt mir etwas anderes übrig?« Sie stach von den drei übrigen Freunden ab. Ihre Mutter hatte zur Rasse der Kreolen gezählt, der Vater war ein Weißer gewesen. Arlette schien die Vorzüge von beiden mitbekommen zu haben. Sie war ein rassiges Girl, nach dem sich die Männer auf der Straße umdrehten. Das Haar fast zur kurzen Bürste geschnitten, das Gesicht sinnlich, ebenso wie die dunklen Augen, in denen ein geheimnisvolles Feuer zu brennen schien. An den Ohrläppchen hingen verschieden große Ringe. Ein runder auf der rechten, ein Viereck auf der linken Seite. Arlette liebte diese Art Kleidung. Auch jetzt trug sie zur grünen Hose eine rote Steppjacke, deren Reißverschluß sie hochzog, ein Zeichen für die anderen, in den VW-Bus einzusteigen.
Der Schloßbesitzer winkte ihnen vom Portal aus zu, als sie starteten und über den Hof rollten, anschließend über den schmalen Weg, den Haselnußsträucher begrenzten. Schließlich erreichten sie die Straße, die parallel zur Loire führte, den Wald an den Hängen durchschnitt, mal über schmale Grate hinwegglitt, sich senkte, an Höhe gewann und in zahlreiche Kurven auslief.
Fast immer besaßen die vier einen guten Blick auf den grauen Strom. Der wälzte sich durch das Bett. Mal war es ziemlich eng, dann wirbelte das Wasser, bildete Strudel und Stromschnellen, dann wieder, wenn das Bett an Breite gewann, floß die Loire ziemlich träge dahin. An solchen Abschnitten schauten auch Inseln aus der grauen Flut, denn die Loire führte nur wenig Wasser.
Neben Arlette hatte sich Marcel Wächter gesetzt. Simone Dufour und Frank Didier saßen hinter ihnen. Beide studierten die Karte, die auf ihren Knien lag.
Frank Didier litt mit seinen 27 Jahren unter Haarausfall. Er besaß eine Halbglatze. Nur auf dem Hinterkopf konnte sich noch ab und zu ein Friseur austoben. Das Haar wuchs bis in den Nacken. Buschige Brauen über den Augen gaben seinem Gesicht etwas Drohendes. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Didier war ein sehr verträglicher Mensch.
Jetzt allerdings schüttelte er den Kopf, so daß es sogar Simone auffiel.
»Was hast du?«
»Mir gefällt die Reiseroute nicht.«
»Wieso?« Er hatte so laut gesprochen, daß sich Marcel Wächter umdrehte. »Sie war vorher abgemacht.«
»Nur ist das nächste Schloß, das wir erreichen, unbewohnt. Es heißt Château Le Duc.«
»Was ist daran schlimm?« fragte Simone.
Frank rieb die Spitze seiner leicht gekrümmten Nase. »Im Prinzip nichts. Nur eben, daß es unbewohnt ist. Jedenfalls steht das in meiner Information.«
»Die können sich auch irren!« Arlette, die Fahrerin, meldete sich.
»Das habe ich schon öfter erlebt. Liegt das Schloß denn genau auf unserem Weg?«
»Ja.«
»Dann fahren wir es einfach an. Oder was meint ihr?«
Arlette bekam eine allgemeine Zustimmung. Außerdem fühlte sich keiner so richtig in Form, um eine sehr weite Fahrt an diesem Tag auf sich zu nehmen.
»Wann werden wir ungefähr dort sein?« wollte Marcel wissen.
Didier rechnete kurz nach. »Wenn wir ohne Pause durchfahren, am frühen Nachmittag.«
»Und das nächste bewohnte Schloß?«
»Das würden wir erst am späten Abend erreichen.«
Simone klatschte in die Hände. »Kinder, wie wäre es denn, wenn wir einen Tag und eine Nacht auf einem unbewohnten
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