0527 - Der Tag der Kobra
hing die Tropfnadel. Unwillkürlich nahm Tendyke den Behälter in Augenschein, um herauszufinden, was man Zamorra injizierte. Aber die lateinischen Bezeichnungen auf dem Etikett sagten ihm nichts. Er verzog das Gesicht. Im Laufe der Menschheitsentwicklung hatte sich nichts geändert -wie vor -zig Jahrtausenden legten die Heiler auch heute noch Wert darauf, all das, was sie taten, als Mysterium darzustellen, als Geheimnis. Damit nur ja niemand begriff, was sie taten…
Tendyke wandte sich an den Polizisten und deutete dabei auf den Tropf. »Wer hat das angeordnet? Wer ist der verantwortliche Arzt?«
Der Beamte zuckte mit den Schultern.
»Würden Sie bitte nach ihm rufen?«
»Sorry, Mister, aber ich darf Sie nicht mit dem Patienten allein lassen.«
Tendyke nickte. »Schon gut. Es geht ja auch anders.« Er drückte die Ruftaste des Terminals an Zamorras Bett. Es dauerte nur eine halbe Minute, bis eine junge Krankenschwester auftauchte.
»Den zuständigen Arzt bitte«, verlangte Tendyke. »Unbedingt und dringend.«
»Warum, Sir? Was ist mit dem Patienten?« Sie prüfte die angeschlossenen Instrumente. »Alles normal«, stellte sie verwundert fest.
»Wäre alles normal, hinge er ja wohl nicht am Tropf und würde nicht von der Technik überwacht. Den zuständigen Arzt bitte.«
»Ich zeige Ihnen den Weg zu seinem Büro…«
Ein Instinkt warnte Tendyke. »Besser nicht. Ich muß hier mit ihm reden.«
»Aber warum, Sir?«
Er seufzte. »Wenn das Finanzamt sagt, daß Sie Steuern zahlen sollen, fragen Sie dann auch nach dem Grund? Also, bitte…«
»Ich werd’s Doktor Jones ausrichten.«
»Doktor Jones, soso«, murmelte Tendyke. »Wieso kommt mir der Name eigentlich so bekannt vor?«
Allerdings hatte besagter Doktor Jones wenig Ähnlichkeit mit dem archäologisch-abenteuerlichen Filmhelden. »Was ist da drin? Bitte in allgemeinverständlicher Sprache«, wollte Tendyke mit einem Hinweis auf den Tropf wissen.
»Kreislaufstärkung und ein Beruhigungsmittel sowie ein fiebersenkendes Mittel. Der Patient weist eine dermaßen hohe Körpertemperatur auf, daß wir seinen Tod befürchten müssen.«
»Er wurde von einer Schlange gebissen«, schoß Tendyke ins Blaue.
»Seine linke Hand weist in der Tat die Merkmale eines Schlangenbisses auf«, sagte der Arzt. »Woher wissen Sie davon? Waren Sie dabei? Können Sie uns sagen, um was für eine Schlange es sich handelt? Wir konnten in seinem Blut leider kein uns bekanntes Gift finden.«
»Sie haben aber einen Giftstoff gefunden?«
»Wir haben einen Stoff gefunden, den wir bislang aber nicht zuordnen konnten. Er weist eine völlig unbekannte Struktur auf, äußerst destruktiv und trotzdem aufbauend. Es ist, sagen wir mal, ähnlich wie ein Virus, und doch möchte ich es nicht als Virus bezeichnen, sondern…«
Tendyke nickte. »Ssacah«, murmelte er. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine Kopie Ihrer gesammelten Daten und Auswertungen zur Verfügung stellen könnten.«
»Das kann ich leider nicht, Sir. Ich weiß ja nicht einmal, wer Sie sind.« Tendyke seufzte. Da war es wieder, das alte Problem. Dabei ließen sich vielauf den Ssacah-Keim ziehen! Es war eine einmalige Chance; zum ersten Mal hatte jemand diesen schwarzmagischen Giftstoff isoliert! Nur würden herkömmliche wissenschaftliche Testmethoden kein Resultat erbringen, dessen war Tendyke sicher. Bei der Analyse mußte auch Magie mit eingesetzt werden, Aber wie sag’ ich’s meinem Kinde… ?
Es war der Moment, in dem die Tür aufgestoßen wurde, ein Mann hereinstürmte und den herumwirbelnden Polizisten mit einem Fausthieb niederstreckte, um dann eine Messingschlange in Richtung von Zamorras Kopf zu werfen.
Nicht einmal Tendyke, der direkt neben Zamorra stand, konnte verhindern, daß der Ssacah-Ableger sein Ziel traf, um sofort zuzubeißen…
***
Ben Nevis hatte sich nicht beirren lassen. Er hatte sich gewissermaßen bis zum Ziel durchgebissen - jeden, der ihn auf seinem Weg zu Zamorra hatte aufhalten wollen, hatte er mit dem Ssacah-Keim infiziert. Schließlich erreichte er das Krankenzimmer. Er schlug den Polizisten nieder und warf die Messing-Kobra nach Zamorra. Dann fuhr er wieder herum und flüchtete über den Korridor. Seine Aufgabe war jetzt erfüllt - er war bis zu Ssacahs Erzfeind vorgedrungen, und wenn dieser Ssacah-Ableger abermals versagte, gab es mittlerweile genug andere in diesem Krankenhaus, die von Ssacahs oberstem Diener aktiviert werden konnten.
Er konnte beruhigt wieder seinen normalen
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