0528 - Auftritt eines Toten
Dieses verfluchte Schloß, van Akkeren und…« Sie wußte nicht mehr weiter und weinte.
Wächter konnte sie verstehen. Auch er war nahe daran, alles hinzuwerfen. Nur konnte sich das keiner von ihnen leisten. Jede Pause, die sie einlegten, steigerte die Gefahr, von van Akkeren erwischt zu werden. Bisher hatten sie ihm davonlaufen können, ewig würde dies auch nicht währen, das war sicher.
Marcel nahm seine Partnerin bei der Hand. »Das ist nur noch ein kleiner Rest, dann haben wir das Dorf erreicht. Glaub mir, Mädchen. Reiß dich zusammen.«
»Ich versuch’ es ja!«
Im unteren Drittel des Hangs lag der Schnee wieder höher. Er war vom Wind angeweht worden und bildete einen dicken Teppich, in den sie wieder einsanken.
Es war ein Kampf mit den Tücken der Natur. Manchmal ruderten sie mit den Händen und den Armen, hielten sich auch wieder an starken Ästen fest, befreiten sie durch das Biegen von ihrer Schneelast und rutschten manchmal in tiefen Schnee hinein.
Umwirbelt und umtanzt von einem dichten Flockenwirbel, manchmal schlimmer als Nebel.
Dann hörten sie etwas.
Selbst durch ihr Keuchen schallte das lawinenartige Lachen von der Höhe zu ihnen herab.
Ein mörderisches, ein wissendes und gleichzeitig triumphierendes Gelächter, das sie traf und ihnen eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Sie spürten beide die Angst und starrten sich aus großen Augen an.
Dann nickte Arlette. Sie wischte sich Schnee von den Lippen, als sie leise sagte: »Er hat nicht aufgegeben, er hat nicht aufgegeben, verflucht…«
Marcel Wächter sagte nichts. Er sah aber ihre gemeinsamen Chancen sinken…
***
Die Weinfässer, das Feuer, der leichte Geruch nach Rauch, die Bewohner von Cerbac, die sich in diesem in den Hang gebauten Weinkeller verkrochen hatten und auf langen Bänken dicht nebeneinander saßen, all dies hatte für Suko und Frank Didier an Bedeutung verloren. Sie starrten Bernard Roski, den Bürgermeister, an, der seine Hand aus dem Bartgestrüpp hervorgezogen und die Fläche so gedreht hatte, daß die Männer draufschauen konnten.
Blut, hellrotes Blut…
Es kam ihnen vor, als hätte Roski es aus dem Bart gesaugt. Irgendwie mußte es auch so sein.
Er starrte sie an, er schaute auf seine Handfläche und schüttelte den Kopf. »Wieso?« fragte er, »wieso…?« Dabei wurde er immer blasser und holte pfeifend Luft.
»Die Fotos«, gab Suko flüsternd zurück. »Ihre Motive werden zu einer grausamen Wahrheit. Ihr seid vor den Bildern geflohen, ohne ihnen jedoch entrinnen zu können. Sie sind euer Schicksal, es tut mir leid, dies sagen zu müssen.«
Roski hatte es nicht allein erwischt. Ein Mann und eine Frau waren vor kurzem ohne sichtlichen Grund zusammengebrochen.
Die Frau hatte noch von Kopfschmerzen geredet.
Und nun Roski…
Suko reagierte sehr schnell. »Halten Sie ihn fest«, sagte er zu Didier, der sich nicht rührte und regelrecht angefahren werden mußte, um sich in Bewegung zu setzen. Er blieb hinter dem Bürgermeister stehen und stützte dessen Rücken ab.
»Ja, das ist gut«, sagte Suko. »Keine Sorge«, wandte er sich an Roski. »Ich sehe mir das einmal an. Schaffen Sie es, den Kopf zurückzulegen? Ich möchte Ihre Kehle untersuchen.«
»Das geht, glaube ich.«
»Okay.«
Roskis Gesicht war starr und gleichzeitig verzerrt, als er den Kopf zurücklegte, damit auch der Bart Suko nicht die Sicht auf die Kehle des Mannes verdeckte.
Das Licht im Weinkeller war mies. Suko mußte schon sehr genau hinschauen, um den langen, dunklen, waagerecht verlaufenen Streifen zu sehen, der sich sehr dünn und schmal von einer Halsseite zur anderen hinzog.
Er war nicht so tief, daß er lebensgefährlich gewesen wäre, aber er mußte schmerzen.
Und er war aus dem Nichts entstanden.
Suko hörte das schwere Keuchen des Mannes. Er sah auch die kleinen Blutrinnsale, die im rechten Winkel zum Schnitt an der dünneren Haut des Halses nach unten rannen und im Kragen des Hemdes versickerten. Mit einem sauberen Tuch tupfte Suko den Hals ab. Bei jeder Berührung schrak Roski zusammen, sagte aber nichts und biß die Zähne aufeinander.
»Okay«, sagte Suko. »Sie können den Kopf wieder normal halten, Monsieur Roski.«
Er bewegte ihn vorsichtig nach vorn.
In seinen Augen schimmerte es feucht, als er fragte: »Und was ist jetzt?«
Suko hob die Schultern. »Lebensgefährlich sieht der Schnitt nicht aus.«
»Das weiß ich.«
»Was spürten Sie?«
»Es war… es war einfach verrückt. Unter meinem Bart bemerkte ich
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