053 - Der steinerne Dämon
des Mädchens hinter den Lidern langsam hin und her bewegten.
Lana sah eine weite, weißgelbe Wüste. Als sie sich mehr schwebend als gehend darauf zubewegte, kam sie zu einem Fort aus graugrünem Stein. Verwundert schaute sie an den Mauern hoch. Eine leichte Bewegung trug sie nach oben, so daß sie auf das Gelände hinunterschauen konnte. Einen Augenblick lang wurde sich Lana des Grundrisses – der die Form eines Mannes hatte – bewußt. Sein Kopf war häßlich und verzerrt, kaum menschlich im üblichen Sinn. Die Arme waren kurz aber kräftig, die Schultern breiter als üblich; die Beine liefen nicht in Füßen aus, sondern endeten in einer Art Plattform. Das Ganze erinnerte sie an etwas, wenn sie sich auch nicht besinnen konnte an was. Dann sank sie tiefer und tiefer auf das große Gebilde nieder. Kühle und Gefahr verheißende Luft schlug ihr entgegen, als ob irgend etwas der Atmosphäre die natürliche Wärme geraubt hätte. Sie schauderte, während sie auf dem Platz landete. Gefühle wie Haß, Wut und Grausamkeit drangen von allen Seiten auf sie ein. Todesangst stieg in ihr auf. Sie schaute auf die sie einschließenden Mauern, zitterte und glaubte, zu einer Miniatur zusammenzuschrumpfen.
Irgendwo begann es zu klingeln. Das Gebimmel wurde immer lauter und durchdringender. Lana blinzelte und bemerkte, daß das Telefon neben ihrem Bett dringend ihre Aufmerksamkeit forderte. Schläfrig langte sie nach dem Hörer und meldete sich.
„Lana Davis. Wer ist dort, bitte?“
„Gwarrr – hhrrrrrscht – yrrrrr“, sagte das Telefon.
„Lana Davis“, wiederholte sie.
„Ohhhcc – gwrrr – errr“, kam es aus dem Telefon. Sie schrie auf und ließ den Hörer fallen. Nur mit größter Anstrengung konnte sie ihn wieder auf die Gabel zurücklegen. Doch allmählich beruhigte sie sich wieder. Sie nahm den Hörer erneut auf, wählte die Zentrale und verlangte Dr. Bollinger. Nach einer kleinen Pause hörte sie seine Stimme.
„Doktor, hier ist Lana Davis.“
„Was ist los, Miß Davis? Das Beruhigungsmittel scheint nicht gewirkt zu haben. Ich dachte, Sie würden endlich eine ruhige Nacht haben.“
„Ich wurde durch eine knurrende und krächzende Stimme am Telefon geweckt.“
„Der Sache werden wir auf den Grund gehen. Bleiben Sie in Ihrem
Zimmer, bis ich zu Ihnen komme! Ich werde dreimal kurz klopfen. Öffnen Sie sonst niemandem, nicht einmal jemandem vom Personal.“
Es klickte in der Leitung. Bollinger hatte aufgelegt. Wenige Minuten später hörte Lana das dreifache Klopfen. Sie warf sich einen Morgenrock über, ging zur Tür und öffnete mit zitternden Fingern.
Bollinger stand im Türrahmen. Er lächelte. „Darf ich hereinkommen?“
„Natürlich.“
Er ging zum Telefon, nahm den Hörer hoch, lauschte aufmerksam und wählte die Nummer der Zentrale.
„Der letzte Anruf, der für Miß Davis kam …“
„Ich sah nur, wie gewählt wurde, Doktor“, sagte der Telefonist.
„Kam der Anruf nicht über die Zentrale?“
„Nein.“
„Liefen zu der Zeit noch andere Gespräche oder konnten Sie die Anlage beobachten?“
„Ich konnte zuschauen. Die Sache war etwas ungewöhnlich.“
„Reden Sie weiter!“
„Ich glaube, ich kann die Leitung finden, über die der Anruf kam.“
„Gut. Ich komme sofort runter. Markieren Sie sie mit einem Stückchen Papier!“
„Ich gehe in die Zentrale“, sagte der Doktor. „Ich habe heute schon so viel Schlaf verloren, daß es nicht mehr drauf ankommt.“
„Tut mir leid. Ich glaube, ich war etwas kindisch.“
„Keineswegs. Und je schneller wir diese Sache klären, desto eher können wir die Augen wieder zumachen. Ich liebe meinen Achtstundenschlaf, kann mich aber nicht erinnern, wann ich ihn zum letztenmal gehabt habe.“
Sie gingen in die Telefonzentrale. Der Telefonist hatte einen kleinen Papierstreifen am Knopf der Leitung befestigt, über die der letzte Anruf gekommen war. Der Doktor schraubte die Vorderwand der Anlage ab und begann mit den Fingern die Drähte zu verfolgen.
Dann drehte er sich um und sagte halb zu sich selbst, halb zu Lana und dem Telefonisten: „Das ist verdammt komisch! Sind Sie sicher, daß dies die richtige Leitung ist?“
„Jawohl, Doktor. Ist was nicht in Ordnung?“ fragte der Telefonist beunruhigt, aus Angst, man könnte ihn für irgend etwas verantwortlich machen.
„Sie haben keinen Fehler gemacht. Ich glaube schon, daß Sie die richtige Leitung gefunden haben. Nur die sich daraus ergebende Schlußfolgerung beunruhigt mich.
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