053 - Der steinerne Dämon
sich das Auge und blickte zu ihr auf. Die dicken, schlaffen Lippen öffneten sich und versuchten, etwas zu sagen.
Lana fuhr mit den Fingern durch sein blutverklebtes Haar und hielt seinen häßlichen Kopf sanft an sich gepreßt.
Das Auge sah plötzlich selig drein. Zufriedenheit, ja, fast Glück spiegelte sich in dem scheußlichen Gesicht. Nein, dachte sie, nicht scheußlich, seltsam, unglaublich seltsam war das Gesicht.
Er stammelte ein paar unverständliche Laute. Was versuchte er zu sagen? Was konnte sie sagen?
„Ich danke dir, du hast mich gerettet.“
Ein glücklicher Laut kam über seine Lippen. Das Licht erlosch in seinen Augen.
„Wie unheimlich!“ sagte einer der Pfleger.
Lana sah hoch und sagte fast mit Stolz in der Stimme: „Ich bat Dr. Bollinger, ihn nicht zu verletzen. Ich wußte, daß er keine bösen Absichten hatte, als er in meinem Zimmer war. Er suchte nur etwas Zuneigung.“
Ihre Worte klangen ihr selbst abgedroschen. Sie konnte kaum glauben, daß diese Sätze von ihren Lippen kamen.
„Er wollte mir helfen“, erklärte sie, „und dabei ist er gestorben.“
Sie hielt dem sterbenden Geschöpf die Statue vors Gesicht. Die Figur schien in ihrer Hand zu vibrieren. Sie hielt es für eine symbolische Zustimmung. Oder war es Wut? Konnte es der Geist Onkel Tymans sein?
Nummer Siebzehn schloß endgültig sein eines Auge. Die große Hand rutschte von Lanas Knie. Sie stand auf. Das Blut auf ihrem Rock und der neuen Bluse störte sie nicht. Sekundenlang sah sie kein Monstrum, sondern spürte nur Wärme, Einsamkeit und Sehnsucht, so zu sein wie andere. Ihr war, als ob die Seele dieser Kreatur offen vor ihr liegen würde. Sie konnte wie in einem Buch darin lesen.
Sie zog ihr Taschentuch heraus und wischte sich die Tränen weg.
Zwei Pfleger hatten Dr. Bollinger aufgehoben. Einer massierte seinen Kopf, während ein anderer seinen Mantel aufknöpfte und sich die gebrochenen Rippen ansah.
Der verletzte Arzt öffnete die Augen und schaute zuerst das Mädchen, dann das tote Monster an.
„Mein Gott!“ stöhnte er. „Wer hat Nummer Siebzehn umgebracht?“
Er schüttelte den Kopf, schob den Pfleger weg, der die Quetschungen auf seinem Rücken massierte, und sah dann an sich herunter.
„Was ist passiert?“ fragte er verwundert.
„Zwei oder drei Männer sind eingebrochen“, antwortete Smith.
„Ach ja, jetzt erinnere ich mich wieder.“
„Sie haben zuerst mich angegriffen“, warf Lana ein. „Als ich schrie, kamen Sie mir zu Hilfe. Die Männer bliesen Ihnen Gas oder irgend etwas Ähnliches ins Gesicht.“
„Ich komme mir wie betrunken vor“, sagte Dr. Bollinger. „Was ist dann passiert? Mein Kopf fühlt sich an, als wäre eine Herde Affen darüber gerast.“
„Einer der Männer hat Sie von hinten niedergeschlagen. Dann tauchte noch ein Maskierter auf, und gemeinsam nahmen sie mir die Statue weg.“
„Was, zum Teufel, wollten sie mit dem Ding?“
„Das weiß ich nicht“, sagte Lana wahrheitsgetreu und beeilte sich, seine Aufmerksamkeit abzulenken. „Nachdem Sie auf dem Boden lagen, kam Nummer Siebzehn und rettete mich.“
„Rettete Sie?“
„Ich glaube aus Dankbarkeit, weil ich Sie bat, ihm nicht mehr weh zu tun.“
„Ich muß schon sagen!“ Bollinger betrachtete das Monster. „Armer, alter, liebeskranker Siebzehn!“
„Bitte, sagen Sie das nicht so!“ bat Lana. „Man hat ihn umgebracht.“
„Ich glaube, er hat auch einen von den Eindringlingen getötet“, erklärte einer der Pfleger. „Er hatte seine große Pranke um die Kehle des einen gekrallt. Die zwei anderen nahmen den Bewußtlosen mit. Das heißt, er war wohl tot. Ich glaube, Nummer Siebzehn hat ihn erwürgt.“
„Hoffentlich!“ erklärte Lana mit unerwarteter Heftigkeit.
Lana Davis sank dankbar auf ihr Bett und trank das milde Beruhigungsmittel, das Dr. Bollinger ihr gegeben hatte.
„Das war vielleicht ein Tag!“ Der Pfleger blieb an der Tür stehen, nachdem er ihr das Glas abgenommen hatte. „Sie vergessen auch nicht, die Tür zu verriegeln, bevor Sie schlafen gehen, Miß?“
„Nein, ganz bestimmt nicht.“
Schon halb schlafend schob sie die Riegel vor und drehte den Schlüssel herum. Dann kuschelte sie sich in die Kissen und Decken. Eigentlich war sie selbst erstaunt, daß sie nach den Abenteuern der letzten Stunden dazu fähig war, sich zu entspannen. Nach nur wenigen Sekunden fiel sie in eine Welt voll wirrer Träume. Ein zufälliger Beobachter hätte bemerkt, daß sich die Augen
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