0531 - Die Flammenhexe
Zimmer aus und bat dringend um einen Fahrer, der weniger durch Geschwätzigkeit auffiel, sondern durch Zuverlässigkeit. Der seltsame Wunsch wurde in der Zentrale registriert und weitergegeben. »Ein Fahrzeug kommt in etwa sieben Minuten«, kam die Bestätigung.
Hoffentlich lohnt es sich, dachte sie. Und hoffentlich findet Zamorra tatsächlich eine Spur.
***
Unterdessen hatte Zamorra unten auf der Straße mit der »Zeitschau« begonnen. Er aktivierte das Amulett und versetzte sich mit einem magischen Schaltwort in eine Art Halbtrance, aus der er sich mit einem weiteren Wort jederzeit wieder wecken konnte. In dieser Halbtrance war er noch wach genug, um das reale Geschehen in seiner Umgebung einigermaßen verschwommen mitzubekommen und auf mögliche aktuelle Gefahren wie über die Straße auf ihn zu fahrende Autos rechtzeitig reagieren zu können. Gleichzeitig aber konnte er das Amulett so einsteuern, daß es unsichtbare magische Fühler in die Vergangenheit ausstreckte. Der stilisierte Drudenfuß, der sich im Zentrum der handtellergroßen Silberscheibe befand, verwandelte sich plötzlich in eine Art Mini-Bildschirm.
Dieser Schirm zeigte Zamorras unmittelbare Umgebung wie in einem rückwärts laufenden Film.
Diesen Film ließ er erst einmal sehr schnell durchlaufen. In den vergangenen Stunden war hier mit Sicherheit nichts passiert, was für ihn von besonderem Interesse sein konnte. Der »Schnelldurchlauf« bestätigte ihn in dieser Hinsicht, die Nachtstunden waren relativ ruhig verlaufen; erst das Anrollen im Rückwärtsgang - beziehungsweise eigentlich die Abfahrt von Polizei und Krankenwagen zeigte ihm, daß er jetzt seinem Fall näherkam.
Jetzt verlangsamte er das Tempo drastisch. Er ging noch einmal kurz vor, um dann langsam wieder in der Zeit zurückzugleiten; er wollte nach Möglichkeit kein Detail übersehen, das vielleicht wichtig werden konnte. Es war dann doch ein recht merkwürdiges Gefühl, sich selbst blutend auf dem Pflaster liegen zu sehen, und Nicole, die Helfer und die Zuschauer zu betrachten. Für ein, zwei Minuten gönnte Zamorra sich den Luxus, die Gesichter der Menschen zu studieren. Ihre Mimik reichte zu einer recht aufschlußreichen Charakterstudie…
Ein Wagen fuhr vorbei, ein offener Porsche mit einer rothaarigen Frau am Lenkrad. Zamorra bekam das Passieren des Fahrzeuges nur mit, weil dessen Flanke den äußeren Rand des Erfassungsbereiches berührte. Kurz ging er auf »Standbild« und näherte sich dem Wagen; so erkannte er die Frau. Rote Haare… Hexe, durchfuhr es ihn. Natürlich war das ein Vorurteil, über Menschheitsgenerationen sorgfältig herangezüchtet. Wer rothaarig war, war entweder irischer Abkunft oder Hexe beziehungsweise Hexer… Selbst Zamorra, der immer wieder versuchte, sich von Vorurteilen frei zu machen, schaltete automatisch in dieses Begriffsschema. Allerdings hatte er auch die Erfahrung gemacht, daß Hexen sehr oft tatsächlich rothaarig waren…
Der Wagen hatte vermutlich keine Bedeutung. Eine Neugierige, die zufällig vorbei kam und wissen wollte, was hier eigentlich los war. Zamorra kehrte zu der Gruppe zurück. Und so, durch die Zeitschau, erfuhr er, was Nicole ihm bislang noch nicht hatte erzählen können, nämlich, daß erst einmal niemand sich richtig um ihn gekümmert hatte.
Der Augenblick, in dem er niedergeschossen wurde…
Er sah sich zusammenbrechen, von der Trefferwucht der Kugel zu Boden gestoßen…
Woher war die Kugel gekommen?
Er glaubte nicht, daß Riker so dumm gewesen war, ihn beseitigen zu lassen, nur weil sie nicht unbedingt als Freunde auseinander gegangen waren und weil Zamorra jetzt etwas mehr über den Manager der T.I. wußte. Aber vielleicht war Riker selbst als Opfer ausersehen gewesen, und Zamorra war zufällig in der Schußlinie gewesen?
Zamorra mußte die Umgebung sondieren! Von wo konnte der Schuß gekommen sein? Aus einem Haus, oder aus einem vorbeifahrenden Auto? Letzteres war einfacher festzustellen. Sämtliche Häuser der Umgebung abzusuchen, war eine Sisyphus-Arbeit, die seine Kräfte bei weitem übersteigen würde. Soviel wurde ihm selbst in seinem Halbtrance-Zustand klar. Aber wie sehr er selbst bereits jetzt abbaute, während er den Blick in die nur wenige Stunden zurückliegende Vergangenheit steuerte, bemerkte er nicht.
Noch unterstützte ihn das Amulett…
Er versuchte die Schußrichtung auszumachen. Er fror das Bild an der Stelle ein, an der er den Stoff seiner Jacke im Rückenteil staubend aufplatzen sah.
Weitere Kostenlose Bücher