0531 - Die Flammenhexe
meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, und ich kann nicht einmal so recht daran glauben. Jedenfalls mußte ich den fast schon zugewachsenen Schußkanal noch einmal künstlich öffnen, um an die Kugel heranzukommen. Ich hätte sie sogar drin lassen können, vermutlich ohne jede Gefahr für Leib und Leben des Patienten, aber die Polizei braucht sie. Spurensicherung, ballistische Untersuchungen und was weiß ich noch alles. Und noch während ich sie herausholte, begannen auch die neuen Schnitte bereits zu verheilen. Sagen Sie… Sie kennen Mister Zamorra doch sicher schon ziemlich lange. Wissen Sie etwas darüber, ob er eine… nun ja…« Er verstummte mit unbehaglichem Schulterzucken.
»Was wollen Sie sagen, Doc?«
»Nun, ich meine… ob er so etwas wie eine biologische oder medizinische Anomalie darstellt. Es sollte auf der ganzen Welt kein einziges Lebewesen mit solchem Heilfleisch geben. Selbst niedere Amphibien oder gar Seesterne, denen abgetrennte Gliedmaßen wieder nachwachsen, schaffen das nicht in diesem irrwitzigen Tempo.«
»Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, Doc.« Aber ich könnte es, nur würdest du mich dann erst einmal für verrückt erklären. Es hat also funktioniert, der Einsatz der magischen Kraft hat sich gelohnt…
wunderbar! Zamorra wird leben… Unwillkürlich tastete sie nach dem Amulett, das jetzt sie anstelle von Zamorra unter der Bluse trug. Danke.
»Sie sind ganz sicher? Ich weiß nicht, wie lange Sie sich kennen, aber ist er nicht zwischendurch vielleicht einmal krank gewesen? Hatte er Verletzungen auszukurieren? Wenn ich die Berichte seines behandelnden Hausarztes zur Verfügung hätte, könnte ich vielleicht mehr herausfinden. Er hat jedenfalls einen äußerst ungewöhnlichen Metabolismus.«
»Es gibt keinen behandelnden Hausarzt und keine Krankenberichte - soweit ich weiß, ist Zamorra in seinem ganzen Leben noch nie wirklich ernsthaft krank gewesen. Wie geht es ihm jetzt?«
»Er ist noch narkotisiert. Aber er wird wohl bald aufwachen - wenn sein Körper auf die Narkose ebenso reagiert wie auf die Schußverletzung, müßte das sogar in wenigen Minuten der Fall sein. Und ich schätze, es wird ihm sehr gut gehen.«
»Dann kann er das Krankenhaus also verlassen?«
»Ich weiß nicht, ob ich darüber entscheiden kann«, sagte der Arzt. »Wegen der polizeilichen Vernehmungen… Detective Spencer erwartet ihn natürlich hier zu finden und…«
»Natürlich. Und Ihnen beziehungsweise der Stationsschwester entgeht der Spaß, dem Polizisten aufzuerlegen, er dürfe mit dem Patienten nur drei Minuten sprechen…«
»Ich weiß nicht, ob man so etwas als Spaß bezeichnen sollte, Miss Duval. Für uns ist das eine Verantwortung, kein Spaß.«
»Wissen Sie, Doc, wir Nichtmediziner versuchen uns hin und wieder mit ein wenig schwarzem Humor oder manchmal sogar Zynismus über die Runden zu helfen, wenn sonst nichts mehr geht«, zitierte sie ihn in etwas abgewandelter Form.
Der Arzt runzelte die Stirn; die Retourkutsche schien ihm nicht sonderlich zu gefallen. »Sie sollten den morgigen Tag abwarten. Dann werden wir sehen, wie es Mister Zamorra geht. Bis dahin…«
Nicole hob die Brauen. »Sie sagten eben selbst, daß er sehr bald aufwachen und daß es ihm dann relativ gut gehen wird. Also - kann ich ihn mitnehmen oder nicht?«
»Ich sagte eben auch, daß ich wohl nicht darüber entscheiden kann…«
Mittlerweile war diese Entscheidung bereits von einem anderen gefällt worden…
***
Die Hexe Britt Malcolm brachte dem Fürsten der Finsternis das Opfer dar - der Fürst in natürlich, aber sie konnte sich nach all den langen Jahren ihres Lebens und ihres Daseins als Hexe nicht so rasch daran gewöhnen, daß jetzt eine Frau über die Schwarze Familie der Dämonen herrschte.
Was das anging, war sie ein wenig altmodisch. An die gegenüber früher erheblich größere Freizügigkeit der Gesellschaft hatte sie sich rascher gewöhnt - die allerdings brachte ihr selbst mehr Vorteile, und sie war nicht von einem Tag zum anderen gekommen, sondern hatte sich über die Jahrzehnte mit Höhen und Tiefen der Entwicklung herangebildet.
Flammen verzehrten das Opfer, und Britt Malcolm nahm Energie auf, während zugleich auch Energie an die Fürstin der Finsternis gesandt wurde. Die Fürstin erschien neben dem Feuerkreis; sie materialisierte diesmal nicht völlig, sondern schien sich der Beschwörung sogar entziehen zu wollen.
Möglicherweise hatte sie etwas anderes zu tun, bei dem sie sich nur ungern
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