0532 - Todespoker
Automatenkaffee kann ich übrigens nicht empfehlen, der schmeckt wie eingeschlafene Füße. Mit der Kaffeemaschine im Sekretariat kenne ich mich aber nicht aus. Vielleicht können Sie mir sagen, ob…«
»Legen Sie eine Kaffeebohne in jede Tasse und schütten Sie braune Farbe darüber. Kräftig umrühren und eine Stunde warten«, empfahl Hawkins. »Können wir vielleicht zur Sache kommen? Die Akteneinsicht…«
»Aber sicher, Sir. Moment, wo ist das Zeugs…«
»Da«, sagte Zamorra und deutete auf die drei übereinandergestapelten Aktenordner, die er sofort erkannt hatte. Wohin auch immer dieser ominöse Odinsson Kopien seiner Sammlung schickte, die Ordner sahen immer gleich aus. Auf dem Rückenaufkleber das Interpol-Wappen und die weitere Beschriftung per Hand aufgemalt…
Erstmals machte er sich plötzlich Gedanken über diese Handschrift. Kannte er sie vielleicht irgendwoher?
»Sir, ich hätte gern Fotokopien der Rückenaufkleber aller drei Ordner…«
»Wozu soll das gut sein?« fragten Boone und Hawkins synchron.
»Vielleicht gibt die Schrift einen Hinweis auf die Identität dieses Interpol-Mannes.«
Hawkins runzelte die Stirn. »Wenn Sie das haben wollen, brauche ich bloß eine offizielle Anfrage zu starten…«
»…und Sie werden auf eine undurchdringliche Barriere auflaufen. Odinsson ist bei Interpol registriert, aber top secret - es gibt keinerlei Informationen über ihn. Nicht einmal der bewußte Staatsanwalt Gaudian aus Lyon hat die Personalakte oder ein Foto auch nur von weitem gesehen. Sobald es um Odinsson geht, wird erstklassig gemauert. Die Identität der Chefin des britischen Geheimdienstes MI 5 ist jahrzehntelang ähnlich geheimgehalten worden, bis ein paar Reporter sie endlich aufdecken konnten…«
»So etwas gibt es doch bei Interpol nicht«, bemerkte Boone trocken. »Was versprechen Sie sich überhaupt von der Personalakte?«
»Wichtige Aufschlüsse«, sagte Zamorra. »Dieser Odinsson, dem jeder aufs Wort gehorcht und den trotzdem niemand kennt, hat das da zu seinem Hobby gemacht.« Er deutete auf die drei Aktenordner.
»Es besteht der Verdacht, daß es sich um einen persönlichen Racheakt handelt.«
Boone lehnte sich zurück. »Das ist doch hanebüchener Unsinn, Professor«, sagte er. »Wenn es sich um einen persönlichen Racheakt handeln würde, müßten Sie beide sich doch kennen. Aber wie Sie selbst eben sagten, wollen Sie diesen Mann erst kennenlernen.«
»Vielleicht kenne ich ihn unter einem anderen Namen«, gab Zamorra unbeeindruckt zurück.
»Deshalb möchte ich ja den Handschriftenvergleich durchführen.«
»Wenn es der Wahrheitsfindung dient…«, seufzte Boone.
»Es dient ihr, ganz bestimmt, Sir«, warf Hawkins ein. »Aber ich denke, Sie werden uns diesen ganzen Aktenberg ohnehin zur Verfügung stellen, damit ich mich in das Problem einarbeiten kann…«
»Sicher. Sie können sich hier an meinem Platz ausbreiten und einlesen, Doktor Hawkins.«
Der sah den Polizisten an wie ein Gespenst. »Was wollen Sie meinen geplagten Gehörgängen denn damit nahelegen? Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich mich hierher setze und den Inhalt von drei prallgefüllten Ordnern studiere. Lassen Sie sie bitte kopieren und die Kopien meiner Kanzlei per Kurier zustellen…«
»Ach ja, der gute alte Kinderglauben«, sagte Boone schulterzuckend. »Es gibt den Osterhasen, den Weihnachtsmann, den Marsh-Mellow-Mann, Mickey Mouse, Captain America und die gute Fee, die diese drei Ordner innerhalb von zwei Sekunden durch den Kopierer jagt. Vergessen Sie's, Sir. Wir haben Personalnot, ich sagte es wohl vorhin beim Stichwort Kaffee schon. Und ich darf die Akten nicht aus dem Haus geben. Vielleicht können Sie aber eine Kopie direkt bei Interpol anfordern.«
»Das dauert Tage«, murmelte Hawkins.
»Nicht mein Problem, Sir«, erwiderte Boone. »Aber vielleicht können wir uns ja auch so schon einmal über diese Akte an sich unterhalten. Sehen Sie, ich habe mich selbst noch nicht eingelesen, sondern nur ein wenig hineingeblättert, und es dreht sich alles um seltsame Fälle, die nie richtig aufgeklärt beziehungsweise abgeschlossen werden konnten - zumindest nach Lage der Akten, nicht wahr? Aber ich kann mich ziemlich gut daran erinnern, daß wir hier gerade erst vor ein paar Tagen einen seltsamen Fall hatten, mein Teamkollege Spencer und ich, den wir eigentlich auch nicht so, wie wir alles beobachtet und miterlebt haben, protokollieren können. Deshalb wollte ja mein Kollege Spencer noch mit
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