0532 - Todespoker
das Wasser nicht mehr prasselte, hörte sie das rhythmische Klopfen. Klopfen? Der Kerl hämmerte mit den Fäusten gegen die Haupttür der Suite!
Nicole hüllte sich in einen Bademantel, knotete den Gürtel eng zu und ging zur Tür. »Die Kopfschmerztabletten nehme ich entgegen, ansonsten…«
»Sie werden auch mich entgegennehmen, ansonsten…«. kam das Echo von draußen. Spencer.
Er war also tatsächlich heraufgekommen, und jetzt konnte sie ihn wohl kaum noch wieder fortschicken.
Nicole seufzte und entriegelte die Tür. Spencer trat ein, in der ausgestreckten flachen Hand ein Stück Folie mit zwei Tabletten. »Ein Glas Wasser werden Sie wohl in Ihrer Suite finden«, meinte er, sich in dem Wohnraum umsehend. »Ganz nett, was die Tendyke Industries Ihnen bezahlt. So möchte ich auch mal Urlaub machen. Die Suite kostet doch garantiert ein paar hundert Dollar am Tag. Gefängniszellen sind weit weniger komfortabel.«
»Es interessiert mich nicht, was Sie mir über Gefängniszellen erzählen wollen, und es interessiert mich nicht, was Sie so dringend von uns wollen. Ohne einen Anwalt…«
»Ich will Ihnen nichts von Gefängniszellen erzählen, sondern eine ganz andere, recht eigenartige Geschichte«, sagte Spencer. »Aber vorher will ich wissen, ob Zamorra hier ist, oder ob ich ihn zur Fahndung ausschreiben lassen muß.. Danach können Sie entscheiden, ob Sie mich und meine unten wartenden Kollegen freiwillig begleiten, oder ob ich Sie per Vorladung ins Präsidium zwingen lasse.«
»Vorhin war es noch eine Verhaftung mit Handschellen«, erwiderte Nicole spöttisch. »Vielleicht sollten erst einmal Sie entscheiden, was Sie eigentlich wirklich wollen. Und wenn Sie es riskieren, Zamorra zu wecken, fahre ich mit Ihrem Vorgesetzten und mit Ihnen im Hochsommer Schlitten.« Sie nahm ihm die Tabletten ab und verschwand wieder im Bad. Die Kopfschmerzen schienen auch so schon ein wenig nachgelassen zu haben. Sie zögerte, dann nahm sie nur eine der beiden Tabletten.
Die mußte reichen. Die zweite konnte sie immer noch einnehmen.
Währenddessen sah Spencer sich im Wohnraum um, allerdings, ohne etwas anzufassen. Nicole ließ die Tür zum Schlafzimmer angelehnt, um den Detective durch den schmalen Türspalt beobachten zu können, während sie sich wieder richtig ankleidete. Fast rechnete sie damit, daß er selbst sie durch diesen Spalt beobachtete. Aber er tat es nicht; er schien an ihren Reizen nicht interessiert zu sein. Als sie fertig war, zog sie die Tür ganz auf. »Spencer? Sie dürfen einen Blick auf einen schlafenden Mann werfen.«
»Und Sie dürfen dafür sorgen, daß er nicht mehr sehr lange schläft«, verlangte Spencer. Nicole zog die Tür wieder zu. »Ich denke nicht mal im Traum daran. Und jetzt erzählen Sie Ihre Geschichte. Sie sagten vorhin etwas von Interpol.«
»Interpol hat eine dicke Aktensammlung auf unseren Tisch gelegt«, sagte Spencer. »Lauter ungelöste Kriminalfälle. Und seltsamerweise taucht in jeder dieser Akten der Name Zamorra auf. Ganz schön international, das Betätigungsfeld Ihres Chefs.«
»Odinsson«, sagte Nicole.
»Ah, diese Aktensammlung scheint Ihnen also nicht ganz unbekannt zu sein. Richtig, ein Interpol-Mann namens Odinsson hat uns auf Sie aufmerksam gemacht.«
»Sie wissen nicht zufällig den Vornamen?« schoß Nicole blitzschnell eine Frage ab. »Oder die Abkürzung?«
Spencer zuckte mit den Schultern. »Warum?«
»Weil dieser Odinsson ein Phantom zu sein scheint«, erwiderte sie. »Er versucht seit ungefähr zwei Jahren, uns fast überall auf der Welt, wo wir auftauchen, mit diesen ominösen Akten Schwierigkeiten zu machen. Mittlerweile hat einer der Staatsanwälte, die diese Sammlung auf den Schreibtisch gelegt bekamen, dieselbe bereits in den tiefsten Keller verbannt mit der Bemerkung, daß das alles doch hanebüchener Unsinn sei.«
»Das ist vielleicht seine Meinung. Wir sind anderer Ansicht. Zumal nach den mysteriösen Vorfällen vor ein paar Tagen. Diese Vorfälle passen wunderschön ins Bild. Bis zur endgültigen Klärung dürfen Sie El Paso nicht verlassen. Ihre an der Rezeption hinterlegten Pässe habe ich vorerst beschlagnahmt.«
»Ohne richterliche Anordnung sind Sie dazu nicht berechtigt. Sie überschreiten Ihre Kompetenzen, Spencer. Wollen Sie sich um Ihre Beförderung bringen?«
»Wollen Sie mir drohen oder mich einschüchtern?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich mache Sie nur auf die Rechtslage aufmerksam, Detective. Falls Sie jene ›Vorfälle‹
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