0535 - Die Verdammte
eigentlich genau, wer sie gewesen ist, kleine Evangeline?«
»Nein!«
»Sie war eine Mambo-Priesterin!«
Trotz der Handfesseln und ihrer angespannten Haltung zuckte das Mädchen zusammen. Evangeline hatte gewußt, daß ihre Mutter von einem Geheimnis umweht worden war. Bisher hatte sie nie erfahren, um was es sich dabei handelte. Nun war es gelüftet worden, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Ausgerechnet eine Mambo-Priesterin – das durfte doch nicht wahr sein. Sie hatte von diesen Menschen gehört. Es gab unter ihnen Männer und Frauen, die mehr sahen als normale Menschen.
Auch heute noch gingen abergläubische Personen zu den heimlich praktizierenden Mambo-Priestern, denen man übersinnliche Kräfte nachsagte. Sie brauchten das Blut der Tiere, um Krankheiten angeblich heilen zu können oder um mit denen zu reden, die längst verstorben waren.
Mambo war unheimlich, gefährlich, rätselhaft für diejenigen, die sich damit nicht befaßt hatten.
Lossardo merkte, daß mit dem Mädchen etwas nicht stimmte.
»Wußtest du das nicht?« fragte er.
»Nein…«
»Es war aber so. Deine Mutter war eine Mambo-Priesterin. Und sie war sehr berühmt. Sie ließ sich mit vielen Männern ein, gebar dann ein Kind von diesem Musiker Sweet. Aber der lebt nicht mehr, du bist jetzt Vollwaise…«
»Nein, ich…«
Lossardo streckte seinen Arm aus. Er streichelte über die Wange des Mädchens. »Ein Kind«, flüsterte er, »wirst du auch mir bald schenken, das verspreche ich dir. Es dauert nicht mehr allzu lange. Laß diese Nacht vorbei sein, dann wirst du bereit sein, mir ein Kind zu schenken. Doch zuvor mußt du noch einige Prüfungen bestehen. Sie alle werden sich hier auf dem Friedhof abspielen, in der Nähe deiner Mutter, deren Nachfolge du antreten wirst, denn du hast ebenfalls das Zeug, eine großartige Mambo-Priesterin zu werden. Ich bleibe an deiner Seite. Deine und meine Macht werden vereinigt, denn gemeinsam sind wir unschlagbar.«
Evangeline Cortland hatte zwar alles verstanden, aber das wenigste begriffen. »Was… was muß ich denn alles tun?« fragte sie.
»Nicht viel, nur die große Probe. Wir werden jetzt gehen und deinen Freund Bill holen.«
Ihre Augen weiteten sich. Sie ahnte bereits, was Lossardo mit ihr vorhatte. Er nickte, streichelte seinen Panther und drehte sich um.
Im Weggehen sagte er: »Wie gesagt, wir kommen wieder und bringen deinen Freund Bill mit. Wir werden ein Fest feiern, bei dem er als großer Höhepunkt sein Leben durch deine Hand verlieren wird…«
Lossardo lachte noch hart und grausam, als ihm Dog die Beifahrertür des Caddys aufhielt.
Es würde seine Nacht und auch sein Spiel werden. Die nächsten Stunden waren das Sprungbrett für ihn, um ganz nach vorn zu kommen…
***
Erst als der Fahrer seinen Wagen vor dem Hotel ausrollen ließ, kam Bill richtig zu Bewußtsein, daß er es überstanden hatte. Er war einer Hölle entkommen, und der kleine Park, der das Hotel umgab, kam ihm vor wie eine Oase der Stille.
»Was habe ich zu zahlen?«
Der Driver nannte den Preis.
Bill legte ein Trinkgeld darauf und mußte sich eine Frage gefallen lassen. »Wohnen Sie hier, Mister?«
»Ja. Wieso?«
»Nun ja, ich meine, hier legen sie doch ziemlich viel Wert auf korrekte Kleidung.«
»Bin ich Ihnen zu schmutzig?«
Der Fahrer lachte meckernd. »Mir nicht, aber denen vielleicht.«
»Wir werden sehen.« Bill stieg aus und ging mit ziemlich steif wirkenden Bewegungen auf den Eingang zu. Das tat er nicht ohne Grund, schließlich sollte niemand die Waffe sehen.
Gegen den Eingang schien die Sonne. Das Glas war dunkel. Bill konnte nicht so gut in die Halle sehen, zudem war er mit seinen Gedanken woanders und dachte an nichts Böses.
Er stieß die Tür auf, betrat die kleine Hotelhalle, ging zwei Schritte, und erst dann fiel ihm die ungewöhnliche Stille auf.
Niemand redete, selbst das Atmen schien zu stören.
Die ungewöhnliche Ruhe hatte einen Grund. Drei Männer hatten sich in der Hotelhalle verteilt und hielten schwere Waffen in den Händen.
Lossardo und zwei seiner Killer.
»Willkommen, Bill«, sagte Lossardo mit einer Stimme, die seine Worte Lügen strafte, denn sie versprachen den Tod…
ENDE des ersten Teils
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