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054 - Gabe und Fluch

054 - Gabe und Fluch

Titel: 054 - Gabe und Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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ergriffen, hätte Fudoh fast die Vorderlader übersehen, die sich unter ihm um die Felsen schoben. Den beiden Gewehrläufen folgten zwei zitternde Pelzkappen, unter denen pechschwarzes Haar wucherte. Die zerzausten Strähnen umhüllten mandeläugige Gesichter, deren gelber Teint um einige Nuancen dunkler als sein eigener war. Dem aufsteigenden Geruch nach zu urteilen mochte das an dem ranzigen Tierfett liegen, mit dem sich die Kerle ihre Haut einschmierten. Es war aber auch ein Hinweis, dass sie einem nordasiatischen Volksstamm angehörten.
    Vermutlich den Mongolen.
    Den Hebel fest umklammert, beobachtete Fudoh, wie die beiden einige Kumpane heran winkten, die kurz darauf, das Gewehr in Vorhaltestellung, um die Ecke sprangen. Den Oberkörper weit nach vorne gebeugt, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten, tasteten sich die Mongolen mit kreisender Flinte vorwärts. Bellende Laute in einer fremden Sprache wurden ausgetauscht.
    Falls einer von ihnen bis drei zählen konnte, wunderten sie sich vermutlich darüber, dass nur noch zwei flüchtende Frauen zu sehen waren.
    Fudoh durfte keine Zeit mehr verlieren. Er setzte sein ganzes Gewicht ein, um den Ast herab zu drücken. Statt den Koloss zu bewegen, verbog sich jedoch das Holz. Eine endlose Sekunde lang fürchtete er schon, der Hebel könnte zerbrechen, da kippte der Brocken doch noch über die Felskante. Mit lautem Krachen schlug er gegen tiefer liegende Vorsprünge, aus denen sich weitere Steine lösten.
    Die Mongolen schrien entsetzt auf, als die Gerölllawine auf sie nieder prasselte. Zwei von ihnen sprangen gerade noch rechtzeitig zurück, den anderen blieb nichts weiter übrig, als die Arme schützend vors Gesicht zu reißen. Harte Schläge streckten sie nieder.
    Fudoh konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich vom Gelingen seines Plans zu überzeugen. Gebannt verfolgte er, wie der dicke Brocken durch die Luft schoss und einem Mongolen das Gesicht zerschmetterte.
    Ja! Fudoh ballte triumphierend die Fäuste. Das war für die Toten am Strand!
    Der neugierige Blick über den Vorsprung blieb den Überlebenden nicht verborgen. Aufgeregt deuteten sie in die Höhe und schrien sich vor Wut gegenseitig an. Eine lange Feuerlanze stach aus dem staubigen Grund hervor. Der Schütze hatte sich nicht genügend Zeit zum Zielen genommen, deshalb klatschte seine Kugel zwei Armlängen entfernt gegen die Felsen.
    Wenn sich die Mongolen aber erst mal einschossen, würde es brenzlig werden.
    Fudoh schleuderte den Ast in die Tiefe und wandte sich zur Flucht. Mit einem schnellen Satz sprang er auf eine höher gelegene Felsnase, um von dort aufs Plateau zu flüchten. Die Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, aber das machte ihm nichts aus. Besser, die Kerle nahmen ihn unter Beschuss als Keiko und Frau Uda.
    Fudoh packte die über ihm aufragende Kante, um sich aus dem Schussfeld zu schwingen. Sein tollkühner Plan wäre auch aufgegangen, wenn er sich nicht an ein von Wind und Regen verwittertes Lavastück geklammert hätte, das unter seinem Griff zerbröselte.
    Danach ging alles blitzschnell.
    Fudoh verlor den Halt und stürzte ab. Beim Aufprall gegen die Felsnadel versuchte er vergeblich, sich in den rauen Stein zu krallen. Seine Fingernägel brachen, während er über den abschüssigen Hang hinab rutschte. Glühende Schmerzwellen zuckten durch seinen Körper. Die Kleidung zerriss auf dem schroffen Untergrund und bremste dabei seine Geschwindigkeit.
    Fudoh nahm die Umgebung nur noch als grauen Wirbel wahr, bis er auf den Boden schlug. Nur seine Instinkte bewahrten ihn vor dem Schädelbruch. Im letzten Moment streckte er die Arme aus und konnte so die Wucht abfedern.
    Es fühlte sich an, als ob jeder Knochen im Leib gebrochen wäre, aber da er sich auf den Rücken wälzen konnte, mussten die Wirbel noch intakt sein. Stöhnend wollte er sich erheben, doch ein brutalen Tritt warf ihn zurück. Das nächste, was Fudoh sah, war ein Fellstiefel, der seinen Brustkorb auf die Erde nagelte.
    Kaum hatte sich das Chaos in seinem Schädel gelegt, erhielt er auch schon die Gelegenheit, den dunklen Lauf eines Vorderladers zu inspizieren. Die schwarze Mündung tanzte drohend vor seinen Augen.
    Alles aus, durchfuhr es Fudoh. Der über ihm stehende Mongole wollte sich für die Platzwunde an seiner Stirn revanchieren, das war seinen funkelnden Augen deutlich anzusehen. Ein scharfer Ruf sorgte jedoch dafür, dass er den gekrümmten Zeigefinger im Zaum behielt.
    »Waate, Kuga! Dey Loord will deen Kell sicha

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