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054 - Gabe und Fluch

054 - Gabe und Fluch

Titel: 054 - Gabe und Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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der Bewegung. Haank an Task Force Control. Code Blue. Ich wiederhole: Code Blue. Miki sandte seinem Assistenten ein lautloses Ich bin schon auf dem Weg zu, bevor er den Frauen zurief: »Entschuldigt bitte, aber Haank braucht meine Unterstützung. Seht euch ruhig weiter um. Wir sprechen beim Abendessen weiter.«
    Die letzten Silben gingen bereits im Klappern der Pendeltür unter. Seine stampfenden Schritte verklangen im Gang, danach waren Aruula und Naoki endgültig allein.
    Die Cyborg stieß ein leises Seufzen aus. »Und das ist nun der Vater meines Kindes. Er war ja schon immer etwas eigenwillig, aber die Abgeschiedenheit hat ihn noch merkwürdiger gemacht.«
    »Vertraust du ihm noch?«, fragte Aruula.
    Naoki trat auf sie zu, um den Träger zu richteten, den die Barbarin zuvor hoffnungslos verdreht hatte. Die beiden Frauen, die so vertraut miteinander umgingen, wirkten äußerlich etwa gleich alt, doch der Schein trog. Naoki zählte bereits über fünfhundert Jahre. Ihre Schönheit beruhte auf künstlichen Implantaten und neu gezüchteten Organen.
    »Ich weiß nicht, ob ich Miki noch trauen kann«, antwortete sie bedächtig. »Aber wie steht es zwischen uns beiden? Traust du mir?«
    Die Barbarin runzelte die Stirn. »Warum fragst du? Zweifelst du an meiner Freundschaft?«
    Naoki lachte. »Nein, natürlich nicht. Aber ich kenne dich inzwischen lange genug, um dir eine Lüge an der Nasenspitze anzusehen.« Endlich saß der Träger wieder richtig. Die Japanerin begutachtete ihr Werk.
    Auf Aruulas Gesicht lag dagegen ein Schatten. »Du meinst wegen des Emblems?«, fragte sie zaghaft. »Woher weißt du, dass ich…«
    »Du bist eine ehrliche Haut, Aruula«, unterbrach Naoki sie sanft. »Das macht dich zu einer schlechten Schauspielerin, und das ist nichts, wofür du dich schämen musst. Im Gegenteil.«
    Ein zaghaftes Lächeln umspielte die Lippen der Barbarin. Seit ihrer Kindheit hatte sie keine Freundin mehr gehabt, der sie ihr Herz ausschütten konnte, wenn sie etwas bedrückte. Naoki ins Vertrauen zu ziehen brachte ihr ein Gefühl der Erleichterung.
    »Das Zeichen des Bösen, von dem General Fudoh sprach«, erklärte sie. »Ich habe es in seinen Gedanken gesehen. Es ist das Symbol des Weltrats!«
    ***
    Fudohs Traum
    Umringt von einer Leibwache, marschierte ein Mann in silberglänzendem Anzug und transparenter Kopfhaube heran. Angesichts seiner luftdichten Kleidung hätte man den Lord für einen außerirdischen Besucher halten können, doch sein Gesicht wirkte absolut menschlich. Langes, weizenblondes Haar kräuselte sich über seinen Ohren und der Mund verschwand unter einem wild wuchernden Vollbart. Die ungepflegte Frisur stand in Widerspruch zu dem militärisch strengen Blick, mit dem der Lord seinen Gefangenen musterte.
    Auf dem Rücken trug er einen Tornister, von dem zwei Schläuche in den Kunststoffhelm führten. Um eine Pressluftflasche aufzunehmen war das Ding zu klein; vermutlich handelte es sich um ein Kreislaufatemgerät.
    Fudoh entdeckte ein Symbol in Brusttaschenhöhek das eine von einem Kometen-Keil zerteilte Erdkugel zeigte, die mit den weißroten Streifen der US-Flagge unterlegt war. Die Wörter World Council Agency wölbten sich über dem Emblem, gleich neben dem Namensschild, das den Lord als Captain Perkins auswies.
    Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Warum fiel ein zivilisierter Mensch mit Kanonenbooten über ihre Insel her?
    Mit einer herrischen Bewegung scheuchte Perkins seine Leibgarde fort und trat näher. Fudohs aufgerissene Augen schien er als Zeichen von Einfältigkeit zu deuten, denn er zeigte mit weit ausholenden Gesten auf die Vorderlader in den Händen der Mongolen.
    »Hast du die Macht der Donnerrohre gesehen, kleiner Junge?«, klang es in Japanisch aus dem Helmlautsprecher. »Nun, dann weißt du auch, dass ich ein zorniger Gott bin, dem du Gehorsam schuldest. Beantworte mir alle Fragen und ich werde Milde walten lassen.«
    Nur seine schmerzenden Rippen hielten Fudoh davon ab, lauthals loszuprusten. Was lief denn hier für eine Nummer ab? Hielt ihn dieser verhinderte James Cook etwa für einen Südseeinsulaner, der sich durch Feuerzauber und Glasperlen beeindrucken ließ? Hatte sich Perkins mit diesem pathetischen Auftreten zum Herrscher über die Mongolen aufgeschwungen?
    Über der Nasenwurzel des Captains entstand eine tiefe Kerbe. Die verächtliche Reaktion des Gefangenen gefiel ihm ganz und gar nicht. Mit einem Fingerzeig bedeutete er Fudoh, dass er sich erheben sollte. Weil der

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