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054 - Gabe und Fluch

054 - Gabe und Fluch

Titel: 054 - Gabe und Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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lautem Pfeifen bohrten sich die Kugeln nicht weit entfernt in den Strand. Die wartenden Frauen erwachten endlich aus ihrer Erstarrung, doch jede von ihnen ging anders mit dem überraschenden Angriff um.
    Viele der Jüngeren begannen hemmungslos zu kreischen. Ihre Panik war verständlich, schließlich lebte Japan seit fast fünfhundert Jahren völlig isoliert. Das Festland im Westen war durch den Kometeneinschlag in einen gigantischen Kratersee verwandelt worden. Zwei traurige Inseln, mehr war von der koreanischen und russischen Küste nicht geblieben. Auf ihrer felsigen Kruste gab es kein Leben mehr, und dort, wo der neue Kontinent begann, hatte der Himmelkörper die Zivilisation bis in die Steinzeit zurück gebombt.
    Die Japaner waren so lange alleine auf weiter Flur gewesen, dass ihnen die Existenz weitere Nationen nur noch schwer vorstellbar erschien. Doch jetzt brach das Fremde mit brutaler Gewalt über sie herein.
    Zum Glück behielten Frau Uda und einige ältere Frauen einen kühlen Kopf. »Rasch«, befahlen sie. »Wir müssen in die Stadt, um die anderen zu warnen.«
    Gemeinsam flohen sie einen mit Steinen befestigten Weg hinauf, der ins zerklüftete Hinterland führte. Wenn sie erst die schützenden Felsen erreichten, konnten ihnen die Bordgeschütze nichts mehr anhaben.
    In ihrem Rücken donnerte es erneut. Das kurz darauf anschwellende Pfeifen ließ ahnen, dass die Kanoniere diesmal besser gezielt hatten. Links und rechts des Weges bohrten sich Kugeln in den Strand, aber das Kreischen über ihren Köpfen wollte einfach nicht abreißen.
    »In Deckung!«, schrie Frau Uda, doch die Warnung kam zu spät.
    Das verbliebene Geschoss schlug mitten in ihrer Gruppe ein. Fudoh konnte sehen, wie wenige Schritte vor ihm zwei junge Frauen regelrecht zerfetzt wurden. Übelkeit stieg in ihm auf, doch die blanke Panik trieb ihn weiter. Er packte die erstarrte Keiko am Arm und zerrte sie um das blutverschmierte Loch herum, das plötzlich im Boden klaffte.
    Frau Uda kam ebenfalls wieder auf die Beine.
    »Weiter, weiter!«, trieb sie die anderen an, doch die rettenden Felsen waren auf einmal schrecklich weit entfernt. Die Angst im Nacken, rannten alle um ihr Leben. Durch ihre Adern pulsierte genügend Adrenalin, um jedes Schmerzempfinden auszuschalten. Eine Frau mit gebrochenem Bein humpelte einfach weiter, ohne ihre Verletzung überhaupt zu bemerken.
    Das Warten bis zu nächsten Salve war am schlimmsten. Jede Sekunde, die lautlos verstrich, bedeutete eine Sekunde mehr, die sich die Kanoniere zum Ausrichten der Rohre nahmen. Die ersten Frauen tauchten bereits in den Hohlweg ein, als es erneut über dem Meer wummerte.
    Fudoh und Keiko holten das Letzte aus sich heraus, um den ungleichen Wettlauf zu gewinnen. Eine Kugel hämmerte wenige Meter entfernt in die Felsen und brachte den Boden zum Beben. Die Jugendlichen gerieten ins Stolpern, hielten sich aber auf den Beinen und rannten weiter. Jetzt zu fallen wäre einem Todesurteil gleichgekommen.
    Frau Uda wartete trotz des zerberstenden Gesteins auf das Schlusslicht der Gruppe. Beherzt packte sie Fudoh an der Schulter, um ihn in Sicherheit zu ziehen. Zu dritt verschwanden sie in dem Felseinschnitt, genau in dem Moment, als über ihnen eine weitere Kugel einschlug.
    Krachend platzte das nackte Lavagestein auseinander und stürzte in die Tiefe.
    Fudoh hörte noch, wie sich das grollende Unheil über ihren Köpfen zusammenbraute. Mit großen Sprüngen hetzte er weiter, um dem Steinschlag zu entkommen. Staub hüllte ihn ein, während die Brocken herab hagelten. Er bekam Schläge gegen Schultern und Rücken ab, doch zum Glück wurde er nur von kleinen Splittern getroffen. Zusammen mit Keiko konnte er unverletzt entkommen - Frau Uda erwischte es dagegen am Hinterkopf.
    Einen ächzenden Laut auf den Lippen, schlug sie lang hin. Nachrutschendes Geröll bedeckte ihre Beine.
    Fudoh achtete gar nicht auf sie. Er wollte nur fort. So weit wie möglich weg vom Ufer, zurück in die Sicherheit der unterirdischen Stadt. Keiko blieb dagegen stehen und entzog sich seinem Griff. Sie brachte es nicht fertig, Frau Uda einfach so zurückzulassen.
    Mit rasselndem Atem hielt Fudoh ebenfalls inne. Einen Moment zwischen Liebe und Todesangst hin und her gerissen, gewann sein Herz schließlich die Oberhand. Geschwind kniete er neben Frau Uda nieder, um ihre Beine frei zu räumen.
    Sie hatten nicht viel Zeit. Die ersten Drachenkopfboote setzten bereits ihren Kiel auf Land. Noch ehe die Schaufelräder zur Ruhe

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