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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Kleidung, und ihrem Sohn erging es nicht anders. Er arbeitete hart auf den Feldern, doch Charles Tourenne übersah das meist. »Reicht es nicht, daß wir euch Quartier und Nahrung geben? Was wollt ihr mehr, hergelaufenes Pack?« Das hatte er nicht nur einmal gesagt.
    Oft genug hatte Robert seiner Mutter vorgeschlagen, zu gehen. »Wohin?« hatte sie dann gefragt. »Wer wird uns aufnehmen?«
    Sie war seßhaft geworden. Das Zigeunerblut floß nicht mehr stark genug in ihren Adern.
    Ihn aber drängte es fort. Doch allein mochte er nicht gehen. Er war sicher, daß er stark genug war, sich »draußen« durchzusetzen. Aber er wollte seine Mutter nicht allein zurücklassen. Sie war alles, was ihm lieb und teuer war.
    Und nun starb sie…
    Ihre Kräuterkenntnisse halfen ihr nicht mehr. Es gab niemanden sonst, der sich in ihrer Kunst noch auskannte. Die Kräuterfrau, die viele Sommer auf dem Gut gelebt hatte, war längst tot, und die Tourennes schworen längst auf die studierten Doktorês aus der Stadt. Die jedoch wollten erst Geld, ehe sie kamen und halfen.
    Nur ein Silberstück!
    Es hätte vielleicht schon gereicht!
    Ein einziges Silberstück, um wenigstens einen Medicus dazu zu bewegen, herbeizukommen und sich Elena anzusehen!
    Aber niemand wollte es ihnen geben, und stehlen wollte Robert es nicht. Das kam irgendwann unweigerlich ans Tageslicht, und dann würde er zu Recht als Dieb gebrandmarkt werden.
    Ein wenig Geld nur für ein Menschenleben, für das liebevolle Herz einer Mutter…
    Wenn sie richtig gezählt hatte, dann war Elena jetzt 44 Sommer alt. Manche starben früher; aber einige lebten auch viel länger. Und wenn die böse Krankheit nicht gekommen wäre, hätte Roberts Mutter sicher die Kraft gehabt, auch noch zehn weitere Jahre zu leben.
    Doch jener, der Himmel und Erde geschaffen hatte, hatte es anders beschlossen. Nach einem Leben voller Mühsal, Leid und Armut sollte sie nun endlich Erlösung finden.
    Unten, aus dem Hof empor, erklang Huf schlag.
    Robert fuhr zusammen, als er die leise Stimme seiner Mutter vernahm: »Wer kommt da? Ist er es?«
    Er hatte gar nicht gemerkt, daß ihre Augen wieder offen waren.
    »Wen meint Ihr?« fragte er.
    Sie schüttelte nur ganz langsam den Kopf. »Sieh nach«, bat sie.
    Er trat zum Fenster. »Ein Edelmann«, sagte er. »Der stinkt vor Geld. Trägt schwarzen Samt und rote Seide. Ah, welch ein prachtvolles Pferd er hat! Ein feuriger Rappe. Der Sattel ist mit Gold beschlagen. Jetzt steigt er ab und schwenkt den Hut…«
    »Er ist es«, sagte Elena. »Jetzt, wo ich schwach bin, kommt er. Geh, Robert. Er soll dich nicht sehen.«
    »Warum nicht? Ihr kennt ihn; Mutter? Wer ist dieser Mann?«
    »Geh!« verlangte sie noch einmal. »Komm erst zurück, wenn er wieder fort ist.«
    Etwas stimmte nicht; er konnte es spüren. Jetzt sah er sie schon fast neben ihrem Körper, obgleich sie wach war.
    Sie starb!
    Er konnte sie jetzt nicht allein lassen!
    Er war bei ihr in ihren letzten Tagen und Stunden, auch wenn Charles Tourenne ihn einen arbeitsscheuen Taugenichts schalt und sogar versucht hatte, ihn mit der Peitsche aus dem Haus und aufs Feld zu scheuchen. Robert hatte die heranpfeifende Peitschenschnur so geschickt mit der bloßen Hand aufgefangen und die Peitsche dem Gutsherrn mit einem so raschen Ruck aus der Hand gerissen, daß er selbst sich dabei nicht einmal verletzte und Tourenne fassungslos gewesen war. Noch fassungsloser war der Gutsherr dann jedoch geworden, als Robert ihm die Peitsche einfach zurückgegeben, ihm den Rücken zugedreht und wieder ins Haus gegangen war. Dabei hatte jeder damit gerechnet, daß der oft recht rebellische junge Mann Zurückschlagen würde.
    Doch genau das hatte er nicht getan!
    Vielleicht hätte ihn nun mancher einen Feigling genannt. Aber niemand konnte das, weil Robert die Peitsche einfach zurückgegeben hatte, statt sie zu behalten. Er hatte sich damit einem weiteren Angriff wehrlos ausgesetzt.
    Doch Tourenne hatte ihn nicht mehr geschlagen. Tourenne war dieser junge Mann plötzlich unheimlich geworden, den er noch nie so recht auf seinem Gut und in seinem Haus gemocht hatte, wie auch die Mutter nicht. Nach über 20 Jahren hatte er sich an die beiden immer noch nicht gewöhnt.
    »Ich kann Euch nicht alleinlassen, Mutter«, sagte Robert brüchig.
    »Geh - bitte!« flehte sie eindringlich. »Geh rasch! Du hilfst mir damit mehr, als bliebest du hier!«
    Er sah sie wieder an, wie sie ganz klein und verfallen unter den Decken lag und fror.
    Er küßte

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