0540 - Der Fluch der Zigeunerin
Moment schritt d’Asmois bereits davon, ohne sich noch einmal umzudrehen oder auf Roberts Rufe zu achten. Verwirrt sah sich Robert nach dem Rappen um. Als er dann wieder nach d’Asmois suchte, war der nicht mehr zu sehen.
Seelen, dachte Robert. Mutter sprach von Seelen. Und dieser Fremde…
Er stürmte zurück ins Haus, die Stiege hinauf…
Aber es war nicht so, wie er befürchtet hatte. Noch lebte sie.
»Nun seid ihr beide euch doch begegnet«, sagte sie brüchig. »Ich spüre es.«
»Wer ist dieser Mann, Mutter?« drängte er. »Bitte, wollt Ihr es mir sagen? Warum machte er mir ein Geschenk?«
»So, hat er das? Es ist ein Geschenk der Hölle! Dieser Mann ist dein leiblicher Vater! Und er ist der Fürst der Finsternis! Hör mir gut zu…«
***
Und so erfuhr er die Geschichte seiner Herkunft.
Elena erzählte ihm, was sie sich bemüht hatte, ihm 21 Jahre lang zu verheimlichen. Sie begann mit dem, was ihr selbst von der alten Blixbah erzählt worden war. Von ihrem Vater, der ihre Mutter zurückwies und deshalb bestraft wurde. Davon, wie sie von Blixbah als Ehrlose aufgezogen worden war und wie Blixbah ihr all ihr Wissen, über das sie noch yerfügte, mit auf den Lebensweg gegeben hatte. Dann das furchtbare Ende bei Trier, schließlich ihr Pakt mit dem Fürsten der Finsternis, um ihr Leben zu retten. Dann Roberts Geburt und ihr Versuch, ihn der Macht des Höllenfürsten zu entreißen…
»Ich ließ dich später noch einmal heimlich taufen, im Namen der himmlischen Dreifaltigkeit, als sich die Gelegenheit dazu ergab«, raunte sie mit schwindender Kraft. »Doch ich bin nicht sicher, ob ich wirklich alles getan habe, was getan werden konnte. Denn du besitzt die Gabe, die er dir verlieh. Du siehst Dinge, die andere nicht sehen… du siehst die Geister der Toten…«
Eine Gabe? dachte er in bitterer Verzweiflung. Für ihn war es eher ein Fluch. Er hatte seine Mutter schon als Geist gesehen, noch während sie lebte. Das Wissen, daß sie starb, ohne daß jemand etwas für sie tun konnte, fraß an seiner Seele. Ohne sein Geistessehen hätte er sich vielleicht noch einer trügerischen Hoffnung auf Genesung hingegeben.
Aber so wußte er, daß es keine Rettung gab…
Natürlich wußte sie es auch. Spätestens, seit der Fürst der Finsternis gekommen war, um ihr seinen Triumph zu erklären, war ihr klar, daß ihr höchstens noch Stunden blieben.
Nein, viel weniger. Sie wurde immer schwächer.
»Es ist der Fluch, den ich damals über Asmodis sprach«, hauchte sie. »Er nahm mir soviel Kraft, daß ich jetzt nicht mehr weiterleben kann. Aber du bist mein Kind, von mir getragen, von mir geboren. Du darfst nicht ihm gehören. Niemals, hörst du?«
»Er mag mich seinen Sohn nennen, aber er wird niemals mein Vater sein«, sagte Robert. Er umfaßte ihre beiden Hände. »Der Teufel wird keine Macht über mich haben.«
»Unter meinem Kissen liegt etwas für dich«, sagte sie. »Der Dolch deines Großvaters. Nimm ihn.«
»Ich kann es nicht. An der Klinge klebt das Blut meines Vaters.«
»Und mein Zorn, mit dem ich die Klinge gegen Asmodis führte. Nimm ihn. Vielleicht rettet sein Besitz dir einst das Leben.«
»Dann soll es sein«, flüsterte er.
»Lebe gut und lange«, hauchte Elena.
Dann schloß sie die Augen, um nie mehr in die Welt der Lebenden zurückzukehren.
***
Lange Stunden später verließ er endlich die Kammer. Den Dolch in der verzierten Scheide trug er ganz offen an der Kordel, mit der er seinen Hosenbund schnürte. Er wußte wohl, daß das eine böse Herausforderung war, denn der Dolch, so, wie er ihn trug, war eher Waffe als Werkzeug, und das Tragen blanker Waffen war das Privileg des Adels. Niederen Ständen war es nicht gestattet.
Aber, dachte er in bitterer Ironie, bin ich nicht der Sohn eines Fürsten?
Hätte er doch nur eher von dem Dolch gewußt! Mit einem der Edelsteine hätte er einen Medicus bezahlen können, der seine Mutter vielleicht geheilt hätte. War ihr selbst das nicht bewußt gewesen? Oder hatte sie darauf verzichtet, weil sie Robert diesen Wert zukommen lassen wollte für schlechte Zeiten?
Draußen stand immer noch das schwarze Pferd des Höllenfürsten, dieses teuflische Geschenk. Allein der Sattel war ein Vermögen wert, das Pferd noch weitaus mehr. Ein Tagelöhner würde drei Jahre schwer arbeiten müssen und hatte dann vielleicht immer noch nicht das Geld zusammen für ein solches Tier.
Robert band die Zügel vom Haltebalken los. Er hieb dem Pferd auf die Kruppe, daß es
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