0543 - Die Fliegen-Königin
eskaliert war.
Drei Wochen waren vergangen wie im Rausch, und noch immer wurde Ross Grayson ihr Bild nicht los.
Elvira Klein, dunkelhaarig, hübsch. Keine Berg-Zenzi, wie ihm Kollegen vor dem Urlaub prophezeit hatten. Das Gegenteil war der Fall gewesen.
Auch in den heißen Ecken von London, wo das Leben pulsierte, hätte Ross Grayson lange suchen müssen, um so eine Frau zu finden. Seine eigene Scheidung lag zwei Jahre zurück. Klar, er hatte zwischendurch einige Affären gehabt, doch keine war so beeindruckend gewesen wie die mit Elvira Klein aus Liechtenstein.
Ross stand noch so sehr unter dem Eindruck des Erlebten, daß er die Kontrollen am Airport wie im Traum erlebte. Seine beiden Koffer holte er vom Gepäckband und ging durch die Halle wie ein Schlafwandler. Kontrolliert worden war sein Gepäck nicht.
Er konnte mit der U-Bahn nach London fahren, sich aber auch ein Taxi nehmen.
Ross entschied sich für das Taxi. Er nannte dem Fahrer die Adresse und wollte ansonsten nicht gestört werden. Was er kaum zu hoffen gewagt hatte, trat ein.
Das Wetter besserte sich. Die grauen Wolken verschwanden, wie durch eine starke Säure aufgelöst. Statt dessen schaute ein hellblauer Himmel auf die Stadt, die Sonne zeigte sich ebenfalls und dampfte die letzten Reste der Feuchtigkeit weg.
In seiner rechten Jackentasche steckte das Geschenk des Mädchens. Es war eine runde Dose. Er hatte Elvira versprechen müssen, sie erst zu Hause und am Abend zu öffnen. In ihr sollte sich eine Überraschung befinden, ein Abschiedspräsent.
Obwohl Ross Grayson sehr gespannt war, riß er sich zusammen.
Nein, erst am Abend.
Etwa eine Stunde später erreichte der Fahrer sein Ziel. Grayson lebte in einem ungefähr zehn Jahre altem Haus, zusammen mit sechs anderen Mietern. Seine Wohnung war ziemlich geräumig. Mit den drei Zimmern kam der Versicherungsdetektiv aus.
Seine Arbeit brauchte er erst in zwei Tagen wieder aufzunehmen.
Bis dahin konnte er noch einmal über den Urlaub nachdenken. Er wollte auch den Film zum Entwickeln bringen. Auf fast jedem Bild war auch Elvira Klein zu sehen.
In der Wohnung roch es muffig. Staub lag auf keinem der Möbel.
Seine Putzfrau hatte jeden Tag dafür gesorgt, daß die Zimmer sauber blieben. Dennoch gefielen ihm die Möbel nicht mehr. Sie waren zwar elegant, doch es fehlte ihm die urige Einrichtung des kleinen Hotelzimmers in Liechtenstein. Ross begann damit, die Koffer auszupacken. Die schmutzige Wäsche verschwand in einem Korb.
Er hatte gleich mehrere Fenster geöffnet, der Durchzug vertrieb den Mief, lockte aber Fliegen in die Wohnung, die ziemlich frech waren und ihn gleich im Dutzend umschwirrten.
»Verdammte Brut!« fluchte er, suchte sich einen besonders dicken Brummer aus, der an der Wand hing, und zerklatschte ihn mit der flachen Hand.
Als die Fliege starb, glaubte er, einen Schrei zu hören.
Ross wurde kalkweiß. Der Schrei hatte ihn an die Stimme seiner Elvira erinnert. Wie konnte eine Fliege schreien?
Er setzte sich auf den Bettrand und schüttelte den Kopf. Unsinn, Quatsch, Einbildung. Er sah zwar erholt aus, war trotzdem überreizt. Die Frau wollte ihm nicht aus dem Sinn.
Er schaute den Fliegen nach. Dicht unter der Decke zogen sie ihre Kreise. Eine hatte er getötet, er wollte die anderen in Ruhe lassen.
Dieser leise Ruf hatte ihm gereicht. Er war jetzt soweit, daß er sich davor fürchtete, eine weitere Fliege zu zerschlagen.
Ross ging ins Bad. Er fühlte sich schmutzig. Eine Dusche würde Wunder wirken.
Im Spiegel schaute er sich an. Sein Gesicht hatte die richtige Urlaubsbräune bekommen. Das Haar war von der Sonne gebleicht worden und ziemlich lang gewachsen, so daß es die Ohren halb bedeckte. Er nahm sich vor, am nächsten Tag zum Friseur zu gehen.
Die Dusche tat ihm gut. Er fühlte sich pudelwohl und erfrischt, als er sie wieder verließ.
Grayson zog frische Kleidung an und spürte gleichzeitig die Müdigkeit. Wie ein Brett ließ er sich auf das Bett fallen, schaute noch gegen die Decke, wo die fetten, dunklen Fliegen hockten, nach unten starrten und ihn beobachteten.
Er dachte nicht mehr darüber nach. Die Müdigkeit war einfach zu groß. Sehr bald fielen ihm die Augen zu.
Durch seine wilden Träume geisterte stets das Bild der Elvira Klein. Sie war Ende Zwanzig und noch nicht verheiratet. Im Traum erlebte Ross den Flug noch einmal und auch die heißen Nächte mit Elvira. Überdeutlich sah er ihr Gesicht, ihren Mund, das Lächeln, als sie die Lippen öffnete. Etwas
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