0546 - Ihr Traum vom Reich des Schreckens
stand auf den Beinen. Das war auch alles. Hätte sie nicht ihr Schwert als Stütze besessen, wäre sie wahrscheinlich gefallen. So blieb sie stehen und schwankte von einer Seite zur anderen. Vor ihren Augen drehte sich die Gestalt des Zwitters. Das Engelsgesicht hatte für sie den Ausdruck einer teuflischen Fratze bekommen.
Gnade würde Merete nicht kennen. Sie wollte den Tod der Feindin und ging deshalb so konsequent vor.
Kara sah sie kommen. Sie wollte wieder angreifen und das Schwert in die Höhe bringen.
Das schaffte sie nicht. An ihren Armen lasteten Bleigewichte. Sie waren dreimal so schwer wie sonst. Der Schweiß hatte sich im Nacken gesammelt, und sie konnte nichts tun, als Merete sich ihr näherte. An Flucht war ebenfalls nicht zu denken. Das Blei saß nicht nur in Karas Armen, es lastete auch in den Beinen und füllte sie besonders in Höhe der Waden aus. Nicht einmal den Fuß konnte sie anheben.
Dicht vor ihr blieb Merete stehen. So nahe, daß kaum eine halbe Armlänge zwischen die beiden paßte. Die Lippen verzog die Person zu einem kalten Lächeln. »Du hast den Kampf gewollt und geglaubt, mich besiegen zu können. Das aber haben schon andere versucht und auch weit vor deiner Zeit, Kara. Ich habe in der Mittleren Periode geherrscht, ich war sehr mächtig, und diese Macht hat mich auch heute noch nicht verlassen. Die Magie des Planeten beherrscht meine beiden Körper, den weiblichen und den männlichen. Oder hast du jemals gehört, daß es jemand schaffte, sich gegen den Planeten zu stemmen?«
»Nein…«
»Da siehst du es. Ich kannte den Weg, der uns zwischen die Zeiten führte. John Sinclair ist ihn ebenfalls gegangen. Er geriet in das Gebiet des Nebels, des Todesnebels, der dir sicherlich auch bekannt sein dürfte. Ihn konnte er nicht schrecken, er besaß sein verfluchtes Kreuz, das den Nebel zurückdrängte. Jetzt kannst du wählen. Willst du durch den Nebel vernichtet werden oder das gleiche Schicksal erleiden wie Myxin und die kleine Wendy. Wenn du dich für den Nebel entscheidest, gebe ich dir die Chance, noch einmal Atlantis sehen zu können. Dann werden wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Also los, ich kann nicht mehr länger auf deine Antwort warten.«
»Keins von beiden!« flüsterte Kara und hob den linken Arm unter großen Mühen an. Sie legte auch die Hand auf den Schwertgriff.
Jetzt stützte sie sich mit beiden ab.
Merete alias Glarion lächelte. »Diese Antwort habe ich fast erwartet, aber es gibt die dritte Möglichkeit nicht.«
Kara nickte. »Dann wie er!«
»Die Steine also?«
»Ja.«
»Auch gut. Wenn ich dich berühre, wird dich das Licht des Planeten umfließen. Zunächst ist es wie ein Schleier, der sanft wie weiche Fingerkuppen über deinen Körper streicht. Durch meine Kraft und meine Magie aber wandelt sich die Energie in Materie um. Aus dem Licht wird Stein, und der Stein wird dich umschließen wie ein immerwährendes Grab.«
»Ich weiß…« Karas Stimme klang hoffnungslos, was die Architektin wiederum freute.
Diesmal gelang es Kara nicht, sie daran zu hindern, die Arme auszustrecken. Sie schob beide Hände langsam vor und legte die Flächen auf das schwarze Haar der Frau.
Kaum berührten sich die, beiden so gegensätzlichen Pole, da entstand das helle Licht.
Wie hatte Merete noch gesagt? Ein Schleier würde entstehen und die Gestalt umfloren.
Das geschah tatsächlich.
Der Schleier legte sich über Karas Körper und sorgte dafür, daß sie den Pfad des Todes betrat…
***
Der Alarm hatte funktioniert!
Ich war zwei Schritte vor dem Lift stehengeblieben und schaute in die menschenleere Halle. Noch nie hatte ich sie so erlebt. Es war völlig still. Nicht einmal ein Telefon schellte. Nur in der Portiersloge blinkten hin und wieder Lampen auf der Telefonanlage.
Zwei Schritte ging ich in die Halle hinein und wandte mich dann nach links, wo einige Sitzmöbel für Besucher standen. Dort legte ich das Mädchen nieder.
Als würde sie nur schlafen, bettete ich sie behutsam auf die lange Sitzcouch.
Ich richtete mich wieder auf und blickte in Richtung Eingang.
Auch er war verschlossen.
Niemand zeigte sich. Die Kollegen mußten in Wartehaltung in den Büros lauern und auf die Entwarnung hoffen.
Würde sie jemals stattfinden?
Ich spazierte durch die Halle. Auf dem Steinboden hörte ich jeden der Tritte doppelt laut, weil sie wie Echos durch die Empfangshalle schwangen. Mein Weg hatte mich schon in alle Gruften und an viele unheimliche Stellen geführt. Selten
Weitere Kostenlose Bücher