055 - Louba der Spieler
vorbei, daß er mich fast entdeckt hätte. Er ging auf die Straße hinaus, und das gab mir den Mut, etwas ganz Verrücktes zu tun - ich begann wieder die Leiter hinaufzusteigen. Als ich zur Hälfte oben war, entdeckten Sie mich, und ich sprang wieder herunter. Außerdem schrillte die Alarmglocke - was ich eigentlich hätte erwarten sollen, da ich kurz vorher aus meinem Versteck heraus den Portier beobachtet hatte, wie er mit einer Taschenlampe die Leitung untersuchte und den durchschnittenen Draht entdeckte. - So, ich denke, das wäre alles - das ist meine Geschichte.«
»Sind Sie sonst niemand in der Nähe der Feuerleiter begegnet?«
»Niemand.«
»Sahen Sie, als Sie in der Wohnung waren, einen Bogen Papier? Ein Blatt, auf dem nur ein R geschrieben stand?« fragte Hurley Brown, der zum Fenster hinaussah, ohne sich umzuwenden.
Frank schüttelte den Kopf.
»Nein, ich sah lediglich zwei umgeworfene Stühle und einen kleinen Stapel Briefe auf dem Fußboden neben dem Tisch. Das ist alles. Ich nahm zuerst an, es wären Beryls Schuldscheine, aber statt dessen waren es Briefe von einer Frau, die sich, soviel ich in der Eile daraus klug wurde, über ihren Mann beschwerte.«
»Briefe?« Brown und Trainor stießen das Wort wie aus einem Munde hervor.
»Sind Sie sicher, Mr. Leamington?« fragte Trainor hastig. »Ich fand keine Briefe. Wie waren sie unterschrieben?«
»Mit einem großen K«, entgegnete der Gefragte. »Als Absender war eine Adresse in Rumänien angegeben, irgendein Café in Bukarest. Auf den Namen kann ich mich nicht mehr genau besinnen. Geschrieben waren sie auf sehr schlechtem Papier.«
Trainor war jetzt ehrlich in Verlegenheit. Er hatte die Briefe nicht entdeckt und auch keineswegs irgendwelche umgestürzten Stühle gesehen.
»Falls Ihre Geschichte wahr ist«, brummte er, »müßte der Mörder noch in der Wohnung gewesen sein. Sie müssen ihn gestört haben, als er etwas suchte ... Nun, Ihre Erzählung wird überprüft werden, Mr. Leamington. Übrigens möchte ich Sie gleich darauf aufmerksam machen, daß Sie mit Ihrer bis jetzt durch nichts bewiesenen Aussage kaum die Geschworenen werden überzeugen können.«
»Mich hat er überzeugt«, sagte Hurley Brown, und der Inspektor starrte ihn mit offenem Mund an.
»Ich fürchte, das wird nicht genügen, Sir«, versetzte er ein wenig förmlich, und Hurley lachte, was bei ihm sehr ungewöhnlich war.
»Wenn Mr. Leamington mir sein Ehrenwort gibt, daß er hier in London bleibt, werde ich die Verantwortung für ihn übernehmen«, sagte er. »Trainor, ich habe Ihnen diesen Fall übergeben, weil Sie der zuverlässigste und gewandteste Mann im Kriminaldienst sind, den ich kenne. Darum wäre ich auch der letzte, der Ihnen Hindernisse in den Weg legen oder Ihre Autorität untergraben würde. Nur aus einem ganz besonderen Grund, der mich in dieser Sache eine bestimmte Ansicht vertreten läßt, wünsche ich, daß Leamington vorerst noch auf freiem Fuß bleibt. Vor allen Dingen möchte ich nichts unternehmen, ohne vorher mit Dr. Warden gesprochen zu haben. Er hörte Stimmen in dem Zimmer, hörte Louba sagen ›sie muß es tun‹ oder so etwas Ähnliches. Warden ist der einzige Mensch, der uns jetzt weiterhelfen kann. Denken Sie daran, daß er bei seinem zweiten Besuch in Braymore House die Aufzugglocke aus dem dritten Stock hörte. Der Portier fuhr hinauf, sah oben aber niemand. Die darüberliegende Wohnung wird von Bennett da Costa bewohnt, der ein alter Konkurrent Loubas noch aus der Levante-Zeit her ist. Ich entdeckte diese Tatsache heute morgen. Costa ist verreist, oder soll es wenigstens sein, und zwar nach Südfrankreich. Die Wohnung ist leer, Dienerschaft ist keine da - nicht einmal eine Haushälterin. Wenn der Mörder Loubas die Feuertreppe hinabklettern konnte, konnte er sie auch hinaufklettern. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß der Mann, der den Mord beging, während der ganzen Zeit in der oberen Wohnung wartete.«
»Und die Fahrstuhlklingel benutzte?« fragte Trainor.
»Das kann ein Versehen gewesen sein. Die in Betracht kommende Person kann ja den Aufzugschacht hinuntergeschaut haben und dabei durch Zufall an den Knopf gekommen sein. Das Zeichen war sehr kurz.«
Es klopfte an der Tür, und Leamington hörte die Stimme seiner Haushälterin.
»Dr. Warden möchte Sie sprechen, Sir.«
Frank schaute die beiden Männer an, und Hurley Brown nickte.
»Er soll nur hereinkommen«, sagte er.
Der Doktor war sehr überrascht, die beiden Besucher
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