055 - Louba der Spieler
—«
»Er war nicht dort!« unterbrach sie ihn heftig. »Er war nicht einmal in der Nähe!«
Er lächelte sie gütig an, auf eine Art, die ihn direkt sympathisch machte.
»Natürlich — Sie tun ganz recht damit, ihn zu schützen«, sagte er. »Aber ich fürchte, es ist schon bekannt, daß er dort war.«
»Wer weiß das? Wer?«
»Die Kriminalpolizei . Wahrscheinlich hat man ihn schon heute morgen verhaftet.«
»Was sagen Sie da?« flüsterte sie zu Tode erschrocken. »Wie können Sie das behaupten?«
»Ich sah alle zu ihm hingehen: Inspektor Trainor, Mr. Brown, und auch -«
»Oh, setzen Sie sich - bitte!« stieß sie mühsam hervor und sank selbst in einen Sessel. »Sie sahen sie wirklich hingehen?«
»Ja, in aller Frühe. Aber verhaftet wurde er nicht.«
»Wissen Sie das ganz genau?« fragte sie hastig.
»Ganz genau - deshalb komme ich nämlich zu Ihnen. Man hat ihn im Augenblick nur deshalb geschont, weil er, soviel ich weiß, ein Freund von Mr. Brown ist. Aber, Miss Martin, das wird natürlich auf die Dauer nicht gehen. Im Polizeidienst geht die Pflicht über alles - auch über die Freundschaft. Aber was ich Ihnen noch sagen wollte, war ...«
Sie faßte wieder Mut.
»Bestimmt hat man ihn nicht verhaftet, weil seine Antworten den Verdacht gegen ihn beseitigten«, unterbrach sie ihn. »Er hat mit Mr. Loubas Tod nichts zu tun und hat das bewiesen.«
»Aber er kann es nicht vor Gericht beweisen, Miss Martin! Ich hörte, wie sie sich beim Fortgehen darüber unterhielten. Auch Dr. Warden war bei ihnen.«
»Kennen Sie Dr. Warden?«
»Ich kenne jeden, der jemals etwas mit Louba zu tun hatte«, antwortete er sanft.
»Nun - und weiter, weiter. Was hörten Sie noch?«
»Man hat an seinem Anzug Blutflecken gefunden, und er hat daraufhin zugegeben, daß er nach Loubas Tod in der Wohnung war, das glaubten sie ihm auch, aber . « Er schüttelte den Kopf. »Bringen Sie ihn in Sicherheit, Miss!«
Sie zuckte ängstlich zusammen.
»Wenn es notwendig wäre, daß er sich versteckt, hätten Brown und Warden ihm das sicher gesagt«, erklärte sie, obwohl sie selbst nicht recht daran glaubte.
»Ausgeschlossen, das konnten und durften sie nicht, es sind ehrliche Männer. Sie können seine Verhaftung in der Hoffnung hinauszögern, daß sich etwas entdecken läßt, das den Verdacht von ihm ablenkt - aber damit haben sie auch schon ihr möglichstes getan. Warten Sie nicht, bis es zu spät ist, Miss Martin. Wenn er tot ist, können Sie ihn nicht mehr ins Leben zurückrufen. Und da Sie fest daran glauben, daß er unschuldig ist, müssen Sie um so mehr darauf bedacht sein, ihn davor zu schützen, ins Gefängnis zu kommen.«
»Weglaufen wäre aber gleichbedeutend damit, seine Schuld einzugestehen.«
»Er soll ja nur bis zu dem Zeitpunkt verschwinden, wo seine Unschuld nachgewiesen ist. Sie halten ihn ja für unschuldig ... Selbst gesetzt den Fall, seine Unschuld kommt nie heraus, dann ist es immer noch besser für Sie, an irgendeinem erreichbaren Ort mit ihm zusammen glücklich zu sein - als daß er gehängt wird.«
»Nein, nein - reden Sie nicht so!« Sie schaute ihn entsetzt an. »Wie können Sie dieses furchtbare Wort benutzen.«
»Nun, man wird ihn ohne Zweifel hängen, wenn er für schuldig befunden wird. Und das wäre unrecht. Louba war ein gemeingefährlicher, verbrecherischer Mensch. Er hat hundertmal den Tod verdient, und es wäre eine Schande, wenn jemand seinetwegen verurteilt würde.«
»Frank könnte jetzt ja gar nicht mehr entkommen — selbst wenn er wollte«, murmelte sie. »Sobald bekannt wird, daß er geflohen ist, werden automatisch sämtliche Züge und Schiffe kontrolliert.«
»Er kann zu mir kommen«, sagte der kleine Mann freundlich. »Ich habe eine bescheidene Wohnung in Balham im obersten Stock eines Hauses. Er könnte bei mir wohnen, ohne daß jemand etwas davon merkt — abends kann er ohne weiteres auf den Dachgarten gehen, damit er an die frische Luft kommt. Übrigens bin ich überzeugt davon, daß auch noch die Möglichkeit zur Flucht auf den Kontinent bestünde, wenn sie nur sofort in Angriff genommen wird. Aber vielleicht ist es doch zu gefährlich. Er soll es lieber nicht riskieren und zu mir kommen; bei mir ist er bestimmt in Sicherheit. Niemand besucht mich — ich bin ganz allein. In dem Haus sind lauter kleine Wohnungen, und kein Mensch kennt den anderen.«
»Warum sind Sie eigentlich so besorgt um ihn?« fragte sie. »Warum wollen ausgerechnet Sie die Gefahr auf sich nehmen, ihn
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