055 - Louba der Spieler
öffnete, erklärte, Miss Martin empfange keine Besucher. Trotzdem sandte er ihr seine Karte, und nach wenigen Minuten kam Beryl selbst. Sie sah übermüdet und sehr blaß aus.
»Ich habe Mutter alles erzählt«, sagte sie. »Wäre ich nur vernünftig genug gewesen, es ihr schon vorher zu sagen — ich hätte mir viel Kopfzerbrechen erspart. — Sie waren nicht bei der Verhandlung?«
»Nein«, erwiderte der Doktor. »Waren Sie dort?«
»Ja«, antwortete sie. »Es war eigentlich nur eine Formsache — die Verhaftung betreffend.«
»Das ist mir durchaus klar«, sagte Dr. Warden rasch.
»Ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich Sie fragen wollte, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann. Glücklicherweise besitzt Frank genug Geld für seine Verteidigung. Soviel ich höre, hat er Sir Carthew Barnet als Anwalt gewählt. Aber wie steht es mit Ihnen?«
Sie lächelte flüchtig.
»Danke, Herr Doktor, wir kommen schon aus mit unserem Geld. Aber es ist sehr freundlich von Ihnen, danach zu fragen. Allerdings - wenn ich die Schuldscheine zahlen will, und ich glaube, ich bin moralisch dazu verpflichtet, dann sind wir natürlich ruiniert.«
»Hat Sie Louba eigentlich jemals näher ins Vertrauen gezogen? Hat er Ihnen jemals etwas aus seiner Vergangenheit erzählt?«
»Nur einmal«, sagte sie nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Sie dürfen nicht vergessen, daß ich ihn erst vor einem Monat kennenlernte.«
»Sprach er jemals von irgend jemand, den wir beide kennen?«
Sie sah ihn schnell an und nickte.
»Ja, ich erinnere mich, daß er sagte, hier in London sei ein Mann, der ihn hasse - der einzige Mann, der ihm jemals über gewesen sei. Das sind seine eigenen Worte. Alle Einzelheiten der Geschichte kenne ich nicht, aber anscheinend war Mr. Louba vor vielen Jahren einmal Geldverleiher. Und als solcher hatte er die Schuld daran, daß ein junger Mann so in Schwierigkeiten geriet, daß er sich erschoß. Der junge Mann war Soldat, und irgend jemand in seinem Regiment machte sich an die Arbeit und hätte Louba fast zu Fall gebracht - er erreichte sogar, daß Louba von der Insel ausgewiesen wurde. In erinnere mich noch daran, obwohl er mir nie sagte, um welche Insel es sich handelte.«
»Es war Malta«, entgegnete der Doktor nachdenklich. »Hat er den Namen des Mannes, der ihn haßte, etwa nicht erwähnt? Sie wissen ihn doch - nicht wahr - Miss Martin?«
Sie schaute zu Boden.
»Ich möchte den Namen nicht nennen«, sagte sie leise. »Es wäre im Augenblick bestimmt nicht angebracht.«
»War es Hurley Brown?«
Sie sah ihn ernst an.
»Ich frage Sie ganz im Vertrauen«, sagte er. »Und ich versichere Ihnen, daß ich jedes Wort, das wir miteinander sprechen, ganz für mich behalten werde.«
»Sie haben recht - es war Mr. Brown«, antwortete sie. »Aber das Ganze muß schon sehr lange her sein. Noch bevor Captain Hurley Brown in den Polizeidienst übertrat.«
»Tatsächlich verhält es sich so, daß er bald nach diesem Vorfall zuerst als Polizeibeamter in Malaya tätig war«, verbesserte sie der Doktor. »Dann nahm er seinen Abschied und kam vor zehn Jahren nach England zurück, um hier einen kleinen Landbesitz zu bewirtschaften. Irgend etwas passierte damals, und er kehrte nach Indien zurück, trat in den dortigen Polizeidienst ein und wurde schließlich von Scotland Yard nach England zurückberufen.«
»Mr. Louba hat mir nichts weiter erzählt«, sagte das Mädchen. »Nur das noch, daß es ihm ein großes Vergnügen bereite, mit Mr. Brown im selben Clubzimmer zusammenzusitzen, mit dem Bewußtsein, daß ihn der Captain verabscheue. Ach, das alles ist mir ja gar nicht wichtig ... Glauben Sie, daß wirklich die Gefahr besteht, daß Frank verurteilt wird, Herr Doktor?«
Dr. Warden strich sich über das Kinn, seine grauen Augen schauten das Mädchen freundlich an.
»Ich glaube nicht, daß es zu einer Verurteilung kommt«, sagte er. »So viele Faktoren sind noch in Betracht zu ziehen. Die Polizei ist beispielsweise schon fest davon überzeugt, daß Frank unmöglich das Fenster zu Loubas Schlafzimmer von außen geöffnet haben kann. Schon aus diesem Grund hat Franks Erzählung viel Wahrscheinlichkeit für sich. Außerdem ist es ein Vorteil für ihn, daß er vollkommen frei und offen über alles berichtet hat. Es besteht nicht der leiseste Zweifel, daß er das Fenster geöffnet vorfand. Louba selbst kann es nicht aufgemacht haben, denn es war ja eine außerordentlich kalte Nacht, und nach Millers Angaben öffnete Louba
Weitere Kostenlose Bücher