0550 - Der Heimkehrer
neuer BMW 535i. Mein Freund und Kollege hatte ihn in einem Preisausschreiben gewonnen, eine Tatsache, an die ich mich noch immer nicht so recht gewöhnen konnte.
Der Lack schimmerte diamantschwarz, die Scheiben waren getönt.
Ich wäre gern mit dem Wagen gefahren, doch Bill hatte nur nach mir verlangt, deshalb ließ ich Suko schlafen. – Ich war Bills ältester Freund. Ich hatte ihn schon gekannt, da waren wir beide noch Junggesellen gewesen. Irgendwann hatte er ein junges Mädchen namens Sheila Hopkins kennen- und liebengelernt. Mein Kontakt zu ihm war geblieben. Als Johnny geboren wurde, bekam ich die Patenschaft über ihn. Die Familie Conolly und ich… meine Gedanken irrten ab. Es war für mich einfach unvorstellbar, daß es Sheila nicht mehr geben sollte.
Vor mir stieg das breite Gittertor in die Höhe. Ich scheuchte den Rover die Auffahrt hoch.
Das Wetter war gekippt. In den letzten Jahren hatte ich herrlich warme September erlebt, doch in diesem Jahr war die Kühle über London hereingebrochen. Mit ihr kam natürlich der Regen, so daß man von einem Schmuddelwetter sprechen konnte.
Ich stieß in das Dunkel der Stadt hinein. London lag um diese Zeit in einem tiefen Schlaf. Da waren die meisten Straßen leer, so daß ich gut durchkam.
Diesmal achtete ich nicht auf Tempolimits. Ich scheuchte den Rover über den regennassen Asphalt und in den leichten Dunst hinein, der über den Fahrbahnen lag.
Meine Stimmung hatte sich dem Wetter angepaßt. Auch sie konnte ich als bedrückt bezeichnen, grau, mies und ängstlich. Ich brauchte nicht über die Themse, rollte über die breite Fulham Road in Richtung Süden und näherte mich dem Strom.
Bei einem derartigen Wetter lagen stets Nebel über den grauen Fluten.
Auch jetzt trieb der Wind den Dunst in die Ufernähe. Die nassen Straßen, der Nebel, die Lichter, alles verschwamm, wurde unwirklich. Ich merkte, daß die Müdigkeit wieder zurückkehrte und war schließlich froh, mein Ziel erreicht zu haben.
Mittlerweile kannte ich mich aus, rollte auf den Parkplatz, stellte den Rover dort ab und hetzte mit langen Schritten dem hellerleuchteten Eingangskomplex entgegen.
Nicht nur ich kannte das Gebäude, auch ich selbst war dort bekannt. Man fragte mich nicht, sondern winkte mich durch.
»John!«
Ich hatte nicht auf die Gestalt im Hintergrund geachtet. Es war Bill, der auf einem Stuhl hockend auf mich gewartet hatte. Als ich in die Halle stürmte, stand er auf.
Wir liefen aufeinander zu.
Mein Freund wirkte wie eine schlechte Karikatur seiner selbst. Er hatte abgenommen, war totenbleich im Gesicht.
»Danke, daß du gekommen bist.« Er nahm meine Hände und drückte sie.
Ich schüttelte verwundert den Kopf. »Warst du nicht bei Sheila oben, Bill?«
»Nein, nein.«
»Weshalb nicht?«
Er hob die Schultern. »Es… es war mir einfach nicht möglich, verstehst du? Ich konnte nicht. Ich wollte auf dich warten. Wenn es tatsächlich mit Sheila vorbei ist …«
»Hör auf, so darfst du nicht reden, Bill. Sheila hat gesprochen, vergiß das nicht. Sie ist zäh, sie wird es schon schaffen.«
Mein Freund hob die Schultern. »Ich hoffe nur, daß du recht behältst, John.«
»Klar doch.« Ich wechselte das Thema. Dabei gab ich meiner Stimme einen forschen Klang. »Wo soll ich jetzt hingehen?«
»Nach oben. Da werden wir erwartet.«
»Kennst du den Arzt?«
»Ja, er heißt Cendric.«
»Ein neuer?«
»Einer der Oberärzte.«
Während unseres Dialogs waren wir in den Lift gestiegen, der uns in die Etage brachte, wo auch die Intensivstation lag, auf der sich Sheila seit nunmehr einigen Tagen befand und noch immer nicht über den Berg war. Meine Gedanken beschäftigten sich bereits mit ihren Worten, die ich nicht kannte. Möglicherweise war es tatsächlich ein Abschied.
Sehr hart preßte ich die Lippen zusammen. Über meinen Rücken rann eine Gänsehaut. Wenn das eintreffen würde, war es einfach furchtbar, Grauen pur.
Wir hatten das Ziel erreicht. Da lag der lange Flur, auch die Milchglastüren zum abgesperrten Teil, der Intensivstation. So kannte ich es und auch die nächtliche, irgendwie angespannte Ruhe innerhalb der Station. Das Ärztezimmer lag weiter hinten. Die Tür stand offen.
Wir hörten einen Mann sprechen. Dr. Cendric telefonierte. Er war noch jünger, trug das braune Haar als Bürste geschnitten und rückte beim Sprechen die dünne Goldrandbrille zurecht. Als er uns sah, beendete er das Gespräch sehr schnell.
»Bitte kommen Sie herein.« Er wandte sich an
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