0555 - Consuelas bitteres Sterben
daß Nachbarn aufmerksam geworden waren. Die sollten nicht noch vor Neugierde platzen. Hart warf sie die Haustür zu. Nach Kevin wagte sie kaum zu fragen. Sie rechnete damit, daß Rusty von allein dieses Thema anschneiden würde.
Mit müden Schritten durchquerte der Drogen-Polizist den Flur und betrat das Wohnzimmer, wo bereits das Licht brannte, denn über London senkte sich allmählich die Dämmerung, die, zusammen mit dem Nebel, ein graues, fast undurchsichtiges Gemisch bildete.
Er fiel in seinen Sessel, legte den Kopf zurück und spürte die weiche Rolle der Lehne unter dem Nackenhaar. »Ein Versager!« flüsterte er in den Raum hinein. »Ich bin ein verdammter Versager. Ich habe es nicht geschafft. Sie war stärker. Kevin befindet sich noch immer in ihren Klauen. Dabei…« Er lachte gluckend und gleichzeitig bitter. »Muß ich mich noch bei ihnen bedanken, denn sie haben mir das Leben gerettet. Die Street-Gang wollte mich auslöschen.«
Auch Linda hatte schlimme Stunden hinter sich. Dennoch behielt sie die Nerven und hatte aus den Worten ihres Mannes herausgehört, daß Kevin noch lebte.
Sie kam zu ihm. Er drehte den Kopf und sah die Hand seiner Frau, die ein halbvolles Glas mit Whisky hielt. »Bitte, Rusty, das wird dir guttun. Trink es aus.«
Automatisch griff er nach dem Glas. Linda nahm neben ihm auf der breiten Lehne Platz. Sie schaute zu, wie ihr Mann trank und dabei mit leeren Blicken in das Glas starrte. »Fertig gemacht haben sie mich. Einfach fertiggemacht. Wie einen grünen Jungen. Ich kann dir nicht sagen, wie ich mich fühlte. Ich lag auf dem schmutzigen Fabrikboden. Sie standen neben und über mir, sie haben mich verhöhnt und ausgelacht. Das Eisen hatten sie mir bereits an den Beinen befestigt. Dann aber kamen Consuela und Kevin.« Hart, umklammerte er das Glas und schaute seine Frau von unten her an.
»Weißt du, wie sie gekommen sind?«
»Nein.«
»Durch die Wand. Sie rammten die Mauer ein. Das breite Messer war stark und scharf genug. Sie hämmerten hindurch, brachten das Chaos. Zwei der Killer haben nicht überlebt. Einer starb unter den Trümmern, der andere durch das Messer. Es war furchtbar…«
»Und Kevin hat alles mit ansehen müssen?« hauchte Linda.
Ihr Mann nickte. »Das hat er, Darling. Es schien ihm nicht einmal etwas auszumachen. Er kam ja vorher durch die Tür. Consuela hat ihn vorgeschickt.« Rusty mußte noch einen Schluck nehmen und wischte Whiskytropfen von seiner Lippe. »Das Schlimmste habe ich dir noch nicht, erzählt. Es traf mich wie ein Messerstich in die Brust, der meine Seele zerlöchert hat. Als Kevin die Fabrik betrat, sah er nicht mehr so aus wie sonst.«
»Nein? Hat er sich anders angezogen oder…?«
»Wenn es das einmal gewesen wäre. Viel schlimmer. Er hat sich im Gesicht verändert. Sein Körper ist der gleiche geblieben, aber im Gesicht sah er um zehn Jahre älter aus. Stell dir das vor. Unser Sohn ist um zehn Jahre gealtert.«
Linda Long blieb für die Dauer von zwei Sekunden auf ihrem Platz sitzen, bevor sie in die Höhe schoß. »Nein!« rief sie. »Nein, das kann nicht wahr sein. Du lügst.« Sie ging zwei Schritte zurück und preßte die Hand vor ihren Mund.
Müde schüttelte Rusty den Kopf. »Weshalb sollte ich lügen? Es ist die Wahrheit, Linda, die volle Wahrheit.«
Die Frau wußte nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Das Grauen hatte sie regelrecht übermannt und war eingeschlagen wie eine Bombe. Sie konnte nicht einmal weinen. Seltsamerweise formierten sich ihre Gedanken klar und scharf. »Hast du… hast du eine Erklärung für das, was geschehen ist, Rusty?«
»Die habe ich nicht. Sie ist zu stark. Sie ist die Sternen-Prinzessin. Alles deutete darauf hin, daß es stimmt. Sie muß demnach Kräfte besitzen, von denen wir nicht einmal eine Ahnung haben. Deshalb werden wir auch dagegen nicht ankommen.«
»Wir vielleicht nicht, Rusty, aber was ist mit deinen beiden Kollegen Suko und Sinclair?«
Müde winkte Rusty Long ab. »Was soll mit ihnen sein? Sie waren plötzlich in der Halle. Aber sie kamen zu spät. Das heißt, eigentlich nicht, der Kampf war noch im vollen Gange. Einen der Killer haben sie retten können. Kevin flog wieder davon.«
»Mit seinem alten Gesicht?«
»So ist es.«
Linda Long sank auf einem Stuhl nieder. Sie blickte ins Leere, fragte mit tonloser Stimme: »Was machen wir jetzt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du willst alles so belassen?«
»Ja. Oder weißt du, wo die Sternen-Prinzessin und unser Sohn
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