0555 - Consuelas bitteres Sterben
Liebe.«
Linda deutete auf das leere Glas. »Nur unter der Bedingung, daß ich mich ans Steuer setze.«
»Das kannst du haben. Den Volvo haben übrigens Kollegen gebracht. Er parkt ein Stück vom Haus entfernt.«
»Dann los! Wir haben keine Sekunde zu verlieren.«
Rusty Long schüttelte den Kopf. Er wunderte sich darüber, woher seine Frau die Kraft nahm, manchmal sprangen Menschen eben über ihre eigenen Schatten. Besonders eine Mutter, die um das Leben ihres einzigen Kindes kämpfte…
***
Es stimmte, es war keine Täuschung!
Am ansonsten starren Sternenhimmel gab es tatsächlich einen Gegenstand, der sich bewegte.
Ein winziger Punkt, mehr nicht. Ein kleines Licht, entfernungsmäßig für uns nicht abzuschätzen, da sich die Dimensionen verschoben, wenn wir in die Höhe schauten. Aber es war nicht wegzudiskutieren, denn jeder hatte ihn gesehen.
Plötzlich herrschte eine andere Atmosphäre. Eine Spannung, eine Haltung der Erwartung. Die hier Versammelten hatten wahrscheinlich Jahre auf diesen Augenblick gewartet. Sie waren bereit, um die Sternen-Prinzessin in ihrem Sinne zu empfangen.
Sie wollten die neue Zeit, vielleicht das neue Leben und auch die neue Erkenntnis.
Wobei ich mich immer fragte, ob dies tatsächlich so viel brachte.
Auch ein New Age wurde irgendwann einmal alt, war überholt, und was kam danach?
Niemand konnte die Frage beantworten. Ebensowenig wie die, was vor der Entstehung des Alls gewesen war, obwohl hochspezialisierte Wissenschaftler darüber nachdachten.
Das war nicht mein Problem. Ich hatte mich einzig und allein mit der Sternen-Prinzessin zu beschäftigen, die kommen wollte.
Noch immer sahen wir den Punkt. Er bewegte sich nicht gerade durch die Dunkelheit zwischen den Sternenblitzen, sondern floß in Schlangenlinien und Kurven weiter, als müßte sie einen bestimmten Kurs einhalten. Der Punkt umkreiste zahlreiche Gebilde, ohne daß er uns irgendwie näher kam.
Dieses All hier war künstlich geschaffen worden. Consuela aber bewegte sich durch das normale. Demnach mußte es ihr gelungen sein, die Grenze zwischen dem echten und dem künstlichen zu überschreiten.
Neben mir stand Regine Dumont. Eine moderne Frau, chic angezogen, eine Managerin, die sich so leicht nichts vormachen ließ.
Trotzdem eine Person, die von den kommenden Ereignissen schon jetzt nahezu überwältigt worden war, denn sie rührte sich nicht vom Fleck und hatte die Hände zu harten Fäusten geballt.
Ich schielte sie von der Seite her an. Nur in ein Auge konnte ich schauen. In der Pupille entdeckte ich den Glanz, als wäre dort das Sternenlicht eingefangen worden.
Regine, wirkte längst nicht mehr so locker, sie stand nun nach vorn gebeugt, wie auf dem Sprung.
Den anderen erging es ebenso. Manche allerdings konnte sich kaum beherrschen. Sie zitterten der Ankunft ihres neuen Zeitalters entgegen und atmeten derart schnaufend, als würden sie unter einem ungemein starken Druck stehen.
Ich warf einen Blick auf Jane und Suko. Die Detektivin beobachtete den Himmel. Suko bewegte den Kopf und schaute sich, ebenso wie ich, die anderen Menschen an.
»Jetzt kommt sie!« Aus dem Hintergrund war die Frauenstimme gedrungen. Sehr schrill und aufgeregt. Ich drehte mich um. Mit beiden Händen wies die Person gegen den Himmel.
In der Tat hatte sich dort etwas getan. Mir kam es vor, als wäre das künstliche Halbrund des Firmaments an einer Stelle brutal aufgerissen worden. Einige Sternenhaufen waren regelrecht verschwunden, um der Prinzessin Platz zu schaffen.
Sie stand auf dem breiten Messer. Von Kevin sahen wir noch nichts. Wahrscheinlich hielt er sich hinter ihr auf. Das Licht der zahlreichen Himmelskörper fiel auch gegen die Unterlage und ließ sie aussehen wie einen matten Spiegel.
Für alle, Jane, Suko und mich einmal ausgenommen, war diese Ankunft mit einem historischen Ereignis gleichzusetzen. Sie erlebten die Geburt einer neuen Zeit, an deren Spitze Consuela stehen würde.
Eine Frau also.
Nicht ohne Grund. In letzter Zeit waren es gerade die Frauen gewesen, die sich erhoben hatten. Raus aus einem Gefängnis, wie sie meinten, hinein in die Emanzipation. Die alten Rituale lebten wieder auf. Man erinnerte sich daran, daß die Erde weiblich war und oft genug als Mutter bezeichnet wurde.
Frauen waren auch Mütter. Einige von ihnen wollten aus der Erde die Kraft schöpfen. All diese Kräfte, so lehrten gewisse Menschen, waren schließlich aus dem All gekommen, zu dem auch die Erde sowie die Menschheit
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