0557 - Gehetzt, gejagt, getötet
Morgenstunde war bereits angebrochen. Der Tag versprach herrlich zu werden, wenn man der Sonne Glauben schenken sollte.
Sie strahlte auch in den Wald hinein, wo Dunstschleier zwischen den Bäumen hingen wie feine Gespinste. Sie würden unter der Wärme bald verschwunden sein.
Tom hatte sich wieder beruhigt. Er legte den Kopf zurück, drehte sich auf der Stelle und stierte mich an. Dann wies er mit dem Zeigefinger auf mich. »Du bist es gewesen, Sinclair, nur du. Die verdammte Urne hast du uns gebracht…«
»Jetzt hat sie Kropec. Mir wäre das nicht passiert!« hielt ich ihm entgegen. »Du hättest dich von Beginn an kooperativ verhalten sollen.«
»Einem Verräter gegenüber?« lachte er.
»Tom, halt jetzt dein Maul!« Hank hatte sich eingemischt. »Ich will nichts mehr von dir hören. So ein dummes Zeug brauchen wir nicht. Wir müssen jetzt zusammenhalten.«
»Mit diesem Bullen?«
»Gerade mit ihm.«
»Dann macht euren Dreck allein. Kümmert euch um die Blutsauger. Ich habe keine Lust mehr.«
»Oder hast du Angst?« fragte Grealy locker.
Tom Erskine drehte sich. »Das mußt du Maulaffe gerade sagen. Du mit deiner ausrangierten Schrotflinte. Du…«
»Sollen wir uns hier nur noch streiten?« fragte ich. »Oder kommen wir gemeinsam zu einem Entschluß?«
»Gemeinsam«, sagte Hank.
»Gut.« Ich übernahm das Wort. »Wie ich die Lage einschätze, existieren einige Vampire. Eure Mitbewohner, die damaligen Asylanten aus der Tschechei.«
»Stimmt«, sagte Grealy.
»Wißt ihr, wo sich diese Blutsauger tagsüber versteckt halten?« Ich zeigte zum Himmel. »Bei dieser Sonne, auch wenn sie nicht mehr großartig wärmt und tief am Himmel steht, kann sich kein Vampir halten und überleben.«
»Das wissen wir eben nicht, Sir.«
»Ich habe etwas von einem alten Kloster gehört. Könnten sie sich dort versteckt halten?«
Grealy hob die Schultern. »Das Kloster steht nicht mehr. Nur noch Trümmer.«
»Die auch Verstecke sein können.«
»Da haben wir schon gesucht«, sagte Hank.
»Auch gründlich genug?«
»Der Besserwisser!« rief Tom Erskine. »Hört ihn euch an. Na klar, es war gründlich. Du kannst ja noch mal hinfahren.«
»Das werde ich auch. Und zwar in der Dunkelheit. Da könnten sie mir dann über den Weg laufen.«
»Vergessen wir nicht Milena«, meinte Hank.
»Genau.« Ich schaute den grauhaarigen Mann an. »Du bist davon überzeugt, daß sie lebt?«
»Immer.«
»Trotz der Asche, die mir zugeschickt wurde?«
»Man hatte sie uns gestohlen. Den Dieb kennen wir nicht. Helfer genug hat sie ja.«
»Okay, Hank, ich glaube dir. Nur frage ich mich, wie es möglich ist, daß ein Blutsauger existiert, dessen Körper bereits zu Asche geworden ist. Vampire sind eine Gruppe für sich. Daß es sie gibt, wissen wir alle. Wenn einem Vampir jedoch ein Pflock ins Herz gerammt wird, dann ist er vernichtet, da bleibt nur Asche zurück. War es bei Milena auch so?«
»Ja!« Diesmal sprach Grealy. »Hank und ich haben sie überrascht. Eigentlich war es ein Zufall. Es begann damit, daß in Talley Tiere angefallen und getötet wurden. Man fand ihre blutleeren Kadaver überall. Schnell wurde der Begriff des Vampirs geprägt, den wir jagen wollten. Wir fanden auch die Spur. Sie führte zu Milena. Wir überraschten sie, als sie dabei war, einen Hund zu töten. Sie trank sein Blut aus einer Blechschüssel.«
»Und dann?«
»Nun ja. Hank und ich schlichen uns an sie heran. Die Eichenpfähle hielten wir stoßbereit. Sie bemerkte uns zunächst nicht. Ich konnte meinen Pfahl in ihren Rücken stoßen, Hank ebenfalls.«
»War sie vernichtet?«
Beide Männer hoben unbehaglich die Schultern. »Das wissen wir eben nicht genau. Jedenfalls schnellte sie hoch. Wir waren wie erstarrt und schauten ihr nach, wie sie wegrannte.«
»Wie war das mit der Asche?«
»Die fanden wir am anderen Morgen in einer kleinen Senke im Wald. Wir packten sie in eine Urne und stellten diese ins Dorf.«
»Wo?«
»Sie fand ihren Platz in der Amtsstube.«
»Aus der sie gestohlen wurde?«
»So ist es.«
Ich schüttelte den Kopf. »Irgend etwas stimmt hier nicht. Normalerweise hätte sie vernichtet sein müssen. Kein Vampir überlebt eine Pfählung durch den Eichenpflock.«
»Bei ihr war es anders.«
Meine Gedanken rasten. Ich suchte nach einer Lösung, ohne sie zu finden, obwohl ich nahe daran war, das fühlte ich einfach. »Kann sie einen Doppelkörper gehabt haben?« fragte ich mit leiser Stimme.
»Was bitte?«
»Zwei Körper in einer
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