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0561 - Leichenwagen zur Hölle

0561 - Leichenwagen zur Hölle

Titel: 0561 - Leichenwagen zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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leckte Eis von ihren Lippen. »Ja, unheimlich groß. Er kam durch das Fenster.«
    »Hast du sehen können, wie er ausgesehen hat?«
    »Nein, ein Schatten.«
    »Hör auf, Gitty, und iß dein Eis.« Die Mutter nickte mir zu. »Entschuldigen Sie, Mister.«
    Ich trank Wein. »Schon gut. Kinder haben manchmal eben eine blühende Phantasie.«
    »Leider.«
    »Aber besser als umgekehrt.« Für mich stand fest, daß ich nicht der einzige Zeuge dieses unheimlichen und nicht erklärbaren Vorgangs gewesen war. Auch wenn das Mädchen ihn kaum oder nur am Rande mitbekommen und den Wagen nicht einmal identifiziert hatte.
    Was war hier geschehen?
    Für den Normalsterblichen hätte es keine Erklärung gegeben. Ich aber wußte mehr. Das hatte nichts mit Arroganz zu tun, es war eine Tatsache, denn ich beschäftigte mich beruflich mit Fällen, die oft genug jenseits des menschlichen Verstandes oder Begreifens lagen. Ich wußte, daß Welten existierten, die jenseits der unsrigen, der sichtbaren lagen. So auch die Hölle.
    Nicht die, wie sie im Mittelalter erklärt und gezeichnet worden war, wo die armen Sünder in einem Kessel mit kochendem Sud hockten und von kleinen Teufelchen umtanzt wurden. Nein, die Hölle zeigte sich anders. Sie konnte sich durchaus in der Seele eines Menschen befinden, in der eines Mörders oder eines anderen Verbrechers. Sie zeigte sich uns in zahlreichen Varianten.
    So wie eben.
    Hatte diese Hölle tatsächlich ihre Pforten geöffnet, oder hatte es eine Überlappung zwischen zwei Welten gegeben, so daß die eine, die sonst nicht sicht- oder erkennbare plötzlich in die normale hineingestoßen war?
    Das mußte ich herausfinden. Ich war zudem davon überzeugt, daß Robby Dobson eine wichtige Schlüsselrolle spielte. Er war fast aufgetaucht wie ein Geist und geisterhaft verschwunden.
    Ich leerte mein Glas. Das Mädchen am Nebentisch konnte sich noch immer nicht über den Schatten beruhigen. »Ich habe ihn richtig gespürt, Mummy. Das war ein kaltes Gefühl.«
    »Natürlich, Darling. Ich bekomme das auch, wenn ich Eis esse.«
    »Du willst mich nicht verstehen.«
    »Es fällt mir zumindest schwer.«
    »Dann ist es gut.«
    Ich stand auf, nahm meine Tüte mit den Weihnachtsgeschenken und verließ, von zahlreichen Blicken begleitet, das Lokal. Hatte ich nicht schon beim Beginn des Einkaufs eine Vorahnung gehabt? Immer wenn ich Geschenke einkaufen wollte, passierte etwas. Das war wie ein Fluch, der auf mir lastete.
    Draußen empfing mich die Kühle des Dezembers. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Zum Schneien war es zu warm, also rieselte das Zeug als dünner Sprüh aus den tiefen, grauen Winterwolken.
    Der Verkehr lief normal. Ich entdeckte auch keinen schwarzen Leichenwagen zwischen all den Fahrzeugen. Dafür viele Lichter, die bunte Reflexe schufen und die Innenstadt in eine farbliche Palette verwandelten. Dazwischen krochen die Abgase, zogen wie Nebel über den Asphalt, als wollen sie sich daran festklammern.
    Mein Blick fiel zum Himmel. Auch dort huschten noch die Reflexe der Reklamelichter wie Kometenstreifen hinweg. Die Natürlichkeit eines Ablaufs zwischen Tag und Abend ging im Trubel der Großstadt einfach verloren.
    Zu suchen hatte ich hier nichts mehr. Ich wollte wieder nach Hause und schob mich in den Schlund der nächsten U-Bahn-Station. Der Leichenwagen war ein Rätsel, der Junge ein besonders großes. Was hatten die beiden miteinander zu tun? Wieso konnte sich Robby Dobson überhaupt auflösen? Daß er es geschafft hatte, war mir nicht verborgen geblieben. Eine Erklärung dafür zu finden, war schwer.
    Er sah zwar aus wie ein Mensch, möglicherweise war er keiner.
    Zusammen mit zahlreichen anderen Fahrgästen stieg ich in den Zug, wo mich eine dumpfe, feuchte Luft umfing. Die freien Plätze überließ ich den älteren Menschen, dafür gelang es mir, mich in der Nähe der Ausgangstür aufzubauen.
    Noch jemand stieg ein. Die Frau schaffte es im letzten Augenblick.
    Ihr Pelzmantel stand noch immer offen, die Tüten trug sie ebenfalls.
    Der gelbe Seidenschal flatterte, die Ketten klirrten, und unter dem schwarzgelockten Pony aus Haarfransen schauten Glutaugen.
    Ich erinnerte mich.
    Obwohl ich das Gesicht nur für die Dauer weniger Sekunden gesehen hatte, war es mir in Erinnerung geblieben. Es war schwer, dieses Frauengesicht zu vergessen, das nicht mehr zu einem jungen Mädchen gehörte. Diese Person mußte Mitte Dreißig sein, und sie strahlte eine Erotik aus, die zu junge Mädchen nicht

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