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0565 - Gucky, der Meisterdieb

Titel: 0565 - Gucky, der Meisterdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verloren.
     
    *
     
    Er hatte fast damit gerechnet, sich aber noch keinen festen Plan zurechtgelegt, wie er das Mißgeschick ungeschehen machen könnte. Es hatte wenig Sinn, einfach die Gestalt eines der Pilger anzunehmen. Er benötigte auch den roten Stein, und dann konnte er aussehen wie jeder andere der Wallfahrer. In dem relativ engen Hof jedoch war es unmöglich, jemandem den Stein abzunehmen.
    Aber er ließ sich austauschen, und darin besaß Kun Tares einige Erfahrungen. Jetzt, da er die Farbe kannte, war das kein Kunststück.
    Die Pilger mit dem roten Stein sammelten sich vor dem Eingangsportal zum Innern der Burg. Noch in dieser Nacht sollten sie die Krone sehen, und morgen konnten sie den Rückweg in ihre Heimatdörfer antreten. Jene, die grüne, blaue, oder gelbe Steine erhalten hatten, wurden in den äußeren Vorhof entlassen.
    Kun Tares hielt sich abseits und glitt dann zu der Gruppe der glücklichen Pilger, die den roten Stein erhalten hatten.
    Es war nicht leicht, seinen grünen Stein gegen einen roten auszutauschen, denn die Wallfahrer hielten ihn fest in der Hand, weil sie ihn bei der Kontrolle vorzuzeigen hatten.
    Aber Kun Tares war gewitzt und erfahren. Es schien ein Zufall zu sein, als einer der Pilger stolperte und hinfiel.
    Vielleicht war es auch nur die Müdigkeit, die ihn straucheln ließ. Jedenfalls öffnete sich seine Hand, als er den Sturz zu bremsen versuchte, und als er nach kurzem Suchen seinen Stein wiederfand, hatte er die Farbe gewechselt.
    Jetzt war er plötzlich grün.
    Das Wehgeschrei half ihm nichts. Er mußte den inneren Hof verlassen und in den Wald zurückkehren. Man konnte sein Geschrei bis in die Burg hinein noch lange hören.
    Kun Tares hielt den roten Stein fest in der Hand und folgte der Reihe der Pilger, die langsam durch das Portal Einlaß in die Burg fanden.
    Niemand hatte dem kleinen Zwischenfall eine Bedeutung beigemessen, und keiner kannte den anderen so gut, um den Austausch bemerkt zu haben. Kun Tares fühlte sich absolut sicher. Es schien auch unwahrscheinlich, daß sich die Tempelwächter jedes Gesicht gemerkt hatten. Sie hatten nur Augen für die Geschenke gehabt.
    „Die Götter werden ihn strafen", sagte einer der Wächter laut, damit es jeder hören konnte, „er wollte die Krone sehen, obwohl er dazu nicht ausersehen war." Er warf einen kurzen Blick auf Kun Tares' roten Stein und ließ ihn passieren. „Vielleicht werden ihn schon beim Heimweg die wilden Bestien zerreißen."
    Sie standen in einem riesigen Saal, dessen Steinwände mit Teppichen behangen und mit Bildern geschmückt waren.
    Mehrere Gänge führten in unbekannte Regionen weiter, aber das Auffälligste waren die breiten Stufen, die in die Tiefe hinabführten. Ein rotes Band versperrte den Abstieg.
    Rechts und links standen Wächter, mit blitzenden Messern bewaffnet, die sie blank im Gürtel trugen.
    Nicht gerade sehr heilig, dachte Kun Tares, der seine Expedition gleichzeitig für das Studium fremder Sitten und Gebräuche nutzte. Das gehörte nun einmal dazu. Ich wette, sie sind selbst auch gar nicht so heilig und fromm, wie sie nach außen hin tun. Doch wo wäre das nicht so?
    Insgesamt waren es vielleicht fünfzig Pilger, die von der ersten Auswahl betroffen worden waren. Einige von ihnen standen reglos da und beteten. Andere konnten ihre Ungeduld kaum noch verbergen. Ihr Lebensziel war in Erfüllung gegangen.
    Sie würden zu jenen gehören, deren Lebensspanne sich vielleicht verdoppelte. Sie würden ihrem Dorf Ruhm und Reichtum bringen und sich bis zu ihrem Lebensende keine Sorgen mehr zu machen brauchen. Immer und immer wieder würden sie den Besuchern die Geschichte ihrer Pilgerfahrt erzählen und dafür Geschenke in Empfang nehmen können. Im Dorf würden sie alle Vorteile genießen, die ein solches Dorf vergeben konnte.
    Kun Tares dachte nicht an solche Dinge. Er hatte andere Probleme, und er wußte noch nicht, wie er sie lösen sollte.
    Nur eines wußte er mit Sicherheit: Die Wächter der Krone würden sich sehr bald nach einer anderen Beschäftigung umsehen müssen.
     
    *
     
    Drei dieser Wächter kamen nun mit lodernden Fackeln und entfernten das rote Band, das bisher den Abstieg in die unbekannte Tiefe verhindert hatte. Sie gaben durch Zeichen zu verstehen, daß man ihnen folgen möge. Kun Tares hielt sich hinten in der Gruppe, um nicht durch Hast oder Voreiligkeit aufzufallen. Hinter ihm gingen drei weitere Wächter, die bewaffnet waren.
    Die Treppe schien endlos zu sein, aber dann

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