057 - Die Tochter des Werwolfs
Organisation Werwolf gehöre?«, fragte er dann mühsam.
Der Werwolf, so hieß eine Durchhalteorganisation, die nach dem Krieg den Endsieg herbeiführen sollte. Die Alliierten fürchteten sie sehr, obwohl sie sich bald als eine Fiktion entpuppte.
»Natürlich, was denn sonst?«, fragte Sullivan mit schneidender Stimme. »Sagen Sie, ist Ihnen nicht gut, Sommer?«
»Ich habe ein paar Schläge in die Nieren bekommen, mit dem Gewehrkolben. Nicht dass ich mich beklagen will. Schauen Sie, Captain, ich habe doch eigentlich nie etwas Schlimmes getan. Sperren Sie mich wieder ein, und damit hat sich die Sache.«
Sullivan steckte sich eine Zigarette an.
»Sommer, was ist damals in Sibirien wirklich passiert?«
»Ich habe schon alles erzählt, Captain. Ich war Agent, Einzelkämpfer hinter den feindlichen Linien. Im Sommer 1944 stieß ich bis nach Sibirien vor mit der Order, die Gefangenen eines Lagers zu befreien und mit ihnen Guerillaaktionen zu unternehmen. Ich wurde geschnappt und konnte Ende 1944 fliehen. Ich schlug mich über Weichsel und Oder bis nach Deutschland durch, mit Flüchtlingstrecks und allein. Ich hatte die Schnauze voll, ich wusste, dass es nichts mehr zu kämpfen und zu siegen gab. Januar 1945 stellte ich mich den Briten, bei denen ich mir von allen Alliierten noch die fairste Behandlung erhoffte.«
»Die werden Sie sich bald verscherzt haben, wenn Sie so weitermachen. Man will Sie an die Russen ausliefern, falls es weiter ständig Ärger mit Ihnen gibt.«
»Nein, Captain Sullivan, nur das nicht. Ich weiß, was es heißt, in russischer Kriegsgefangenschaft zu sein. Die Russen haben mir nicht vergessen, dass ich ihnen entwischt bin. Sie würden mich umbringen.«
»Dann benehmen Sie sich entsprechend. Im Vertrauen gesagt, Sommer, wenn Sie nicht ständig solchen Blödsinn machen würden, könnten Sie schon frei sein. Sie haben sich freiwillig gestellt und bei den Verhören vorbildlich mitgearbeitet. Wir verdanken Ihnen viel. Sie brauchten sich dann nur noch einmal die Woche bei den Besatzungsbehörden zu melden und könnten tun und lassen, was Sie wollten. Okay, diesmal werde ich noch ein gutes Wort für Sie einlegen. Sobald Sie aus der Einzelhaft entlassen sind, sprechen wir uns wieder. Ich will Auskünfte von Ihnen über Ihre Tobsuchtsanfälle und die geheimnisvollen Todesfälle im Lager.«
»Ich weiß nichts, Captain.«
»Ich will Ihnen doch nur helfen. Begreifen Sie das denn nicht?«
»Captain Sullivan, ich bitte darum, jetzt in den Bunker gebracht zu werden.«
Ärgerlich drückte Sullivan auf die Klingel. Die Soldaten kamen herein.
»Eine Woche Einzelhaft bei Wasser und Brot.«
Bernd Sommer wurde hinausgeschleppt.
Am späten Abend schlenderte Sullivan durch das Lager. Er wollte ein wenig frische Luft schnappen. Der Tag war lang und hart gewesen, Verhöre, Verhöre und nochmals Verhöre, Vergleiche mit alten Protokollen.
Trevor Sullivan kam sich weit weg von zu Hause und sehr einsam vor. Ein kalter, schneidender Wind wehte, die Baracken der Kriegsgefangenen waren dunkel. Angst, Hass und Verzweiflung, auch dumpfe Resignation brüteten in ihnen, man konnte es fast körperlich spüren.
In den Baracken der britischen Offiziere und Soldaten brannte noch Licht, aber auch dort herrschte keine frohe Stimmung. Der Dienst war eintönig, und auch die Freizeit bot kaum Abwechslung. Fraternisation mit der Bevölkerung war unter Strafe verboten, und an Fräuleins , die Nylonstrümpfe, Zigaretten und Essensrationen wollten, war in einem Kriegsgefangenenlager nicht zu denken.
Auf den acht Wachttürmen brannten Scheinwerfer. Die scharf ausgerichteten Lichtstrahlen suchten den Stacheldrahtzaun ab. Hundepatrouillen streiften am Zaun entlang, der Captain begegnete einer Zweierpatrouille.
Bleich stand der Vollmond am Himmel, sein Licht flutete über die Höhen des Westerwalds, beleuchtete große Flächen und ließ Schatten tiefdunkel und tintig schwarz erscheinen.
Vor Trevor Sullivan fiel bizarr der Schatten eines Wachtturms auf den Boden.
Die beiden Wachsoldaten erkannten den Captain. Er winkte ab, als sie salutieren wollten.
»Weshalb ist der Hund so unruhig?«
»Wir sind gerade am Bunker vorbeigekommen. Der Deutsche tobt wieder. Ich sage Ihnen, das geht nicht mit rechten Dingen zu, Captain.«
»Unsinn, Best. Sie sind ein abergläubischer Hochländer, das ist alles.«
»Selbst die anderen Deutschen gehen ihm aus dem Weg, Captain. Sie munkeln, er sei für die Todesfälle im Lager verantwortlich.«
»Da
Weitere Kostenlose Bücher