057 - Sanatorium der Cyborgs
die Einrichtung aber nie mehr verlassen. Wenn seine Umprogrammierung gelang, war eine Ausmusterung des Asiaten nicht nötig.
Von ihm würde sie auch den Grund des Besuchs erfahren. Waren die drei zufällig nach
Dead End geraten? Hatten sie vor, hier Beute zu machen? Oder waren sie gar in Takeos Auftrag unterwegs, der Haank durchschaut hatte?
Wie auch immer, Aiko war der Schlüssel. Um ihn würde sich Daryll zuerst kümmern.
Dafür musste sie ihn von seinen Begleitern isolieren.
Ein Lächeln huschte über ihre Züge, doch Caals Einfluss verzerrte es zu einer Grimasse.
Sie wusste, wie sie den Cyborg packen konnte. Zwar hatte er auf ihre Offerten bislang kaum reagiert, doch sein Interesse an ihr war Daryll nicht entgangen. Mit ein bisschen menschlicher Mimikry sollte es ein Leichtes sein, ihn gefügig zu machen.
In dieser Hinsicht waren alle Männer gleich, egal ob Organische oder Cyborgs…
***
Aiko Tsuyoshi lag wach. Der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Er hätte nicht gedacht, dass ihn nach all den Jahren, die er in diesem Land unterwegs war, Zwischenmenschliches noch so beschäftigen würde. Und schon diese Überlegung ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Zwei Gesichter teilten sich seine Gedanken: Da war zum einen Brina, die Fassadenmalerin aus El'ay. Sie und er lagen, - wie man es früher wohl genannt hatte, bevor die CFStrahlung die Kommunikation behinderte - auf einer Wellenlänge. Brina schien ihn zu ergänzen wie keine andere zuvor. Bis sie ihm ihr »Geheimnis« gebeichtet hatte.
Und da war Daryll. Obwohl er sie erst wenige Stunden kannte, fühlte sich Aiko zu ihr hingezogen. Lag es daran, dass sie eine Cyborg war? Oder an ihrem perfekten Aussehen?
Oder daran, dass Brina für ihn unerreichbar geworden war?
Unruhig wälzte sich Aiko auf die andere Seite. Gern hätte er auf Darylls unübersehbare Avancen reagiert, doch dagegen sprach, dass sie morgen früh nach San Francisco weiterziehen würden. Nur wenn er die Mission aufgab, hatte die Beziehung zu Daryll einen Sinn - und daran war nicht zu denken…
So drehten sich seine Gedanken im Kreis und kamen nicht zur Ruhe.
Ein leiser Ton drang an sein verbessertes Gehör und ließ ihn aufschrecken. In dem dunklen Zimmer bemerkte er sofort das blinkende Licht an der Wand neben seinem Bett. Das An- und Abschalten der kleinen Glühbirne verursachte das für normale Menschen nicht wahrnehmbare Geräusch.
Aiko schwang die Beine über die Bettkante und beugte sich vor. Dank seiner Optik reichte ihm das kleine Licht, um die Funktion des Gerätes zu erkennen, das in die Metallwand eingelassen war. Ein Com-Port! Eine Kommunitations-Einrichtung für Cyborgs!
Er fuhr den Dorn aus seinem unteren Handgelenk und versenkte ihn in den Port. Die Verbindung kam sofort zustande.
Aiko? Darylls Stimme! Es tut mir Leid, dich zu stören. Warst du bereits in der Ruhephase?
Schon in Ordnung, gab er genauso lautlos zurück. Ich konnte eh nicht schlafen.
Kannst du in mein Büro kommen, Aiko?, fragte Daryll. Ich glaube, ich habe eine Methode gefunden, um deine Motorik zu reparieren. Und da ihr uns morgen schon wieder verlassen wollt, wäre dies die letzte Gelegenheit…
… dich unter vier Augen zu sprechen, ergänzte Aiko in Gedanken, sperrte den Satz aber gegen eine Übertragung. Er war sich fast sicher, dass auch Daryll die Reparatur nur vorschob, um ihn zu treffen.
Sein Herz schlug schneller. Wie fortgewischt waren die Bedenken. Wie sollte er sich auch über seine wahren Gefühle klar werden, ohne mit Daryll gesprochen zu haben? Da war es doch legitim, sie zu besuchen, oder?
Ich komme gern, gab er durch. Wo treffe ich dich?
In meinem Büro, antwortete Daryll. Ich übermittle dir den Lageplan, dann findest du den Weg allein. Ich möchte nicht, dass… jemand davon erfährt.
Wer dieser »Jemand« war, daran bestand kein Zweifel. Aber Aiko hatte ohnehin nicht vorgehabt, Matt und Aruula von seinem Vorhaben zu unterrichten.
Also bis gleich! Daryll unterbrach die Com-Verbindung.
Die Daten gingen ein. Aiko speicherte sie in einem seiner Hirnimplantate ab. Dann zog er sich rasch seine Hose und die Weste über, schlüpfte in die Schuhe und ging zur Tür. Sie ließ sich geräuschlos öffnen; die Scharniere der rund drei Zentimeter dicken Stahltür waren gut geölt.
Der Gang lag verlassen vor ihm. Nicht zum ersten Mal wunderte sich Aiko darüber. Wo waren die anderen Patienten? Zumindest die Roboter hätten hier zu jeder Tag- und Nachtzeit unterwegs sein müssen.
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