0572 - Terror der Vogelmenschen
bewegten sich zitternd. Den menschlichen Kopf hatte das Wesen nicht nur erhoben, sondern auch in seine Richtung gedreht. In der Dunkelheit über dem Deck sah der Schädel aus wie ein Abziehbild.
Stavros spürte die Furcht, die sich um seinen Magen herum zusammenzog. Sein Herz klopfte schneller, das Blut raste durch die Adern. Hinter der Stirn spürte er einen harten Druck.
Wieso war der unheimliche Vogelmensch erwacht?
Und er wollte nicht mehr länger in seinem Sarg bleiben, denn er stemmte sich noch höher, breitete die Schwingen aus, wobei der Luftzug hart gegen Stavros stieß.
Dann hob der Vogelmensch ab!
Es war ein imposantes Bild, wie die Kreatur in die Höhe stieg und sich zu den anderen gesellte.
Im gleichen Augenblick bimmelte die Alarmglocke. Auf der Brücke war der Vorgang beobachtet worden. Dort würde man sich ebenfalls keinen Reim auf die Sache machen können.
Stavros stand da, ohne sich zu rühren. Er kam sich vor, wie auf einer Insel ausgesetzt. Er hörte nicht die hastigen Tritte der übrigen Besatzung. Der Vogelmensch schraubte sich noch weiter in die Höhe.
Die anderen kamen ebenfalls zu ihm. Sie nahmen ihn in die Mitte und umkreisten ihn, als wäre er ihr König.
Genau über dem Schiff zogen sie ihre Bahnen, beobachtet von den staunenden Männern der Besatzung, die diesen Vorgang nicht begreifen konnten.
Höher und höher bewegten sich die Vogelmenschen, bis das tiefe Blau der Nacht sie verschluckt hatte.
Jemand ging vor. Es war der Kapitän. Mit schlurfenden Schritten näherte er sich dem Sarg und schaute hinein. »Leer«, flüsterte er mit tonloser Stimme. »Er ist leer.« Dann drehte er sich zu seiner Mannschaft um. »Wir haben uns nicht getäuscht. Wir sind keinem optischen Irrtum zum Opfer gefallen. Verflucht, was hat das zu bedeuten?«
Die Antwort war Schweigen.
Damit wollte sich der Kapitän nicht zufrieden geben und wandte sich an seinen Bootsmann. »Du, Stavros, hast es gesehen. Von dir will ich eine Auskunft haben?«
Stavros stand unbeweglich. Er konzentrierte sich auf seine Gänsehaut. Als er sprach und seinen Mund bewegte, sah es aus, als würde ein Roboter reden. »Ich weiß es auch nicht, Käpt’n.«
»Aber du hattest Wache!«
»Das stimmt. Der Vogelmensch bewegte sich im Sarg. Es war nicht zu fassen. Er… er bewegte sich, er wollte hochkommen, er kam hoch, dann sah ich die anderen.«
»Über dem Schiff?«
»So ist es.«
»Sie flogen über uns hinweg und warteten darauf, daß er ihnen entgegenfliegen würde.«
»Hat er das getan?«
»Ja, er stieg hoch. Es kam mir vor, als wäre er ein König gewesen, denn die anderen Vogelmenschen umkreisten ihn. Es sah aus, als würden sie ihm huldigen.«
»Bestimmt hat Stavros recht, Käpt’n«, sagte jemand aus der Mannschaft. »Ich glaube daran.«
Die anderen nickten zustimmend.
Der Kapitän kam sich vor wie ein begossener Pudel. Er wußte nicht, was er dazu sagen sollte. Mit leerem Blick starrte er auf die Planken.
»Wir werden den Kurs nicht ändern«, erklärte er. »Volle Kraft voraus.«
»Und was werden Sie berichten?« fragte Stavros.
»Das weiß ich noch nicht.« Abrupt drehte sich der Kapitän um und verschwand unter Deck. Dort setzte er sich in seine Kabine. Auf dem Tisch stand noch die alte Maschine. Ein bis zur Hälfte beschriebenes Blatt war eingespannt. Von der Decke her fiel weißes Licht auf das Papier, das der Kapitän mit einer wütenden Bewegung aus der Rolle zog, es zusammenknüllte und in die Ecke warf.
Dann holte er aus einem Schrank eine Flasche Ouzo. Was er jetzt brauchte, war ein Schnaps…
***
London war anders geworden!
Nicht daß sich äußerlich etwas verändert hatte, nein, beileibe nicht, es lag allein an der Atmosphäre, die mir persönlich überhaupt nicht mehr gefiel.
Ein Schatten schwebte über der Millionenstadt am Ufer der Themse. Ein gefährlicher und gleichzeitig unsichtbarer Schatten, von dem nur Eingeweihte etwas wußten.
Dazu zählte ich.
Ich hatte dem Schatten auch einen Namen gegeben oder vielmehr einen übernommen.
Dracula zwei!
Eigentlich zum Grinsen, wenn man bedachte, daß es die Figur des Dracula, so wie sie beschrieben und in den Filmen zu sehen war, in Wirklichkeit nicht gegeben hatte. Aber der Blutsauger hatte einen Nachfolger bekommen.
Ausgerechnet einen ehemaligen Freund von uns, Kommissar Mallmann. Er war zu einem Vampir gemacht worden. Reva, die Person, die ihn durch ihren Biß zu einem Blutsauger gemacht hatte, lebte nicht mehr. Sie war von mehreren
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